Fataler Schuss auf den Storch
Geschichte und Geschichten der Rixdorfer Kirchgasse
Eine der ältesten Straßen im Bezirk ist die Kirchgasse. Sie wurde kurz nach der Gründung Böhmisch-Rixdorfs angelegt, also um 1737. Bis ins 20. Jahrhundert hinein hieß sie „Mala ulicka“, tschechisch für „enge Gasse“.
Es ist König Friedrich Wilhelm I. zu verdanken, dass sich auch in Rixdorf böhmische Glaubensflüchtlinge ansiedeln konnten. Die meisten der ursprünglichen Siedlerbauten haben jedoch nicht lange überlebt. Im Jahr 1849 zerstörte ein verheerender Brand fast das ganze kleine Dorf. Schuld an dem Feuer soll ein Schuss auf einen Storch gewesen sein, der es sich in seinem Nest auf dem Strohdach eines Hauses gemütlich gemacht hatte. Das Unglück nahm seinen Lauf.
Eines der wenigen Gebäude, das dem Brand trotzen konnte, steht an der Kirchgasse 5. Hier befindet sich der Spaziergänger auf einem kleinen Platz, an dem die Kirchgasse einen Knick in Richtung Richardstraße macht. Das Haus wurde 1753 als Schul- und Anstaltsgebäude der Herrnhuter Brüdergemeine errichtet. In den ersten zwei Jahrzehnten gab es sogar einen Internatsbetrieb. Aufgenommen wurden Kinder von Missionaren, die sich im Ausland aufhielten, aber auch Kinder aus armen Familien, die das Glück und Talent hatten, nicht so schwer und früh arbeiten zu müssen wie ihre Geschwister.
Bis heute Teil des Wappens
Das Haus gilt als die älteste erhaltene Schule Neuköllns. Bis 1909 wurde hier unterrichtet. In den 1980er-Jahren restauriert, steht der Bau heute unter Denkmalschutz. Im Erdgeschoss ist seit 2005 das „Museum im Böhmischen Dorf“ untergebracht (geöffnet donnerstags 14–17 Uhr und jeden ersten und dritten Sonntag von 12–14 Uhr). An die Geschichte des Hauses erinnert nicht nur eine Informationstafel, sondern auch ein steinerner Hussitenkelch am Giebel, Symbol der böhmischen Glaubensflüchtlinge und bis heute Teil des Neuköllner Wappens.
Auf dem Platz vor der ehemaligen Schule haben die Rixdorfer im Jahr 1912 König Friedrich Wilhelm I. ein Denkmal gesetzt. Am Sockel ist eine Aufschrift zu lesen: „Die dankbaren Nachkommen der hier aufgenommenen Böhmen.“ Zwei weitere Tafeln zeigen einen Tross flüchtender Menschen und eine Ansicht Rixdorfs aus dem Jahr 1755.
Plötzlich Idylle
Zuletzt ein Tipp für alle, die sich (noch) nicht so gut in Rixdorf auskennen: In einer Ecke des Platzes gibt es eine alte Steinmauer mit einer Toröffnung. Wer hindurchtritt, findet sich auf einer alten Streuobstwiese wieder. Unter anderem wird sie vom Verein Karma Kultur für öffentliches Gärtnern genutzt.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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