Der Leser steht im Mittelpunkt
Helene Nathan gilt als Wegbereiterin eines modernen Bibliothekswesens

Zwölf Jahre lang – von 1921 bis 1933 – leitete Helene Nathan mit großem Engagement die Neuköllner Bücherei. | Foto: BA Neukölln
  • Zwölf Jahre lang – von 1921 bis 1933 – leitete Helene Nathan mit großem Engagement die Neuköllner Bücherei.
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Vor genau einem Jahrhundert, am 1. Juli 1921, übernahm Dr. Helene Nathan die Leitung der Städtischen Volksbücherei und Lesehalle in Neukölln. Das runde Dienstjubiläum würdigt die Hauptbibliothek, die nach der engagierten Frau benannt ist, mit einer Lesung, einer Ausstellung und zwei Präsentationen.

Als die 34-jährige Helene Nathan die Regie in der Bücherei übernahm, hatte diese ihren Sitz an der Ganghoferstraße, im heutigen Kinder-Künste-Zentrum. Der Bau war 1912 bis 1914 zusammen mit dem angrenzenden Stadtbad entstanden. Die Idee: Körperliche Ertüchtigung und geistige Bildung sollten in einem Ensemble zusammenfließen und waren architektonisch über ein Atrium verbunden.

Das war ganz im Sinne der neuen Leiterin. Bildung stand für sie im Mittelpunkt, gerade weil Neukölln ein Arbeiterbezirk war. Ganz besonders lagen ihr die Jüngeren am Herzen. Unter ihrer Leitung entstand deshalb nicht nur eine Zweigstelle in Britz, sondern auch eine Jugendbibliothek.

Sie richtete ihr Tun allein auf die Bedürfnisse der Nutzer aus. Der respektvolle Umgang zwischen Leserschaft und Personal war ihr wichtig. Folgerichtig wollte sie, dass die Angestellten sich mit der Situation der Neuköllner beschäftigten, sie setzte sich für die Verbesserung der bibliothekarischen Ausbildung ein, war Mitglied der SPD und anderer Organisationen, verfasste viele Publikationen.

Doch Helene Nathan war Jüdin. Bereits 1933, kurz nach der Machtergreifung der Nazis, wurde sie beurlaubt und später entlassen. Im Jahre 1935 fand sie Arbeit in einer jüdischen Buchhandlung, doch damit war zwei Jahre später Schluss. Ein Angebot, nach Großbritannien auszuwandern, konnte sie nicht mehr annehmen, weil der Zweite Weltkrieg ausbrach. Die Lage erschien immer aussichtsloser. Am 23. Oktober 1940, im Alter von 55 Jahren, nahm sie sich das Leben.

Helene Nathan gilt als Wegbereiterin einer modernen Bibliothek, ihre wichtigste Schaffensperiode lag zwischen den beiden Weltkriegen. Deshalb stellt die Bibliothek, Karl-Marx-Straße 66, im Juli Medien rund um das Thema „Das Leben in der Weimarer Republik“ zur Ausleihe bereit. Im Mittelpunkt stehen Sachbücher, die die Goldenen Zwanziger, aber auch ihr Ende thematisieren. Zudem wird eine Mischung aus Romanen und Hörbüchern präsentiert – von Charlotte Roths Buch „Die Königin von Berlin“ über die Gereon-Rath-Reihe von Volker Kutscher samt der TV-Serie „Babylon Berlin“ bis hin zu Christopher Isherwoods „Leb wohl Berlin“. Im August können die Besucher Literatur über „Starke Frauen. Bewegende Leben“ entdecken. Im Themenregal finden sich dann Biografien und Graphic Novels über Frauen wie Rosa Parks, Anna Seghers und Sophie Scholl. Auch Sachbücher für Kinder und Erwachsene sind dabei.

Am 23. August – Helene Nathans 136. Geburtstag – findet eine Lesung statt: Die Autorin und Filmemacherin Anna Faroqhi stellt in ihrer Graphic Novel „Andersdenkerinnen“ eine Episode zum Leben der Bibliothekarin Helene Nathan vor. Der Titel: „Ohne Freiheit ist alles nichts“. Auszüge aus der Graphic Novel Faroqhis sind bereits ab Juli in Bibliothek als Tafelausstellung zu sehen.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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