Irgendwo zwischen Bolzplatz, Indien, der Milchstraße und dem Dach Welt.... Oder Neukölln?
Sonntag, Wochenende. Nicht, dass ich mich urlaubsreif fühlte, jedoch ist das Wochenende für mich als frisch gebackener Berliner immer ein ganz besonderes Erlebnis. Nun bin ich schon drei Monate hier in der Hauptstadt, in der Metropole oder wie ich jüngst im Görlitzer Park vernahm, in der Muddastadt. In den ersten Wochen galt es auf eigene Faust mit großer Neugierde Bezirk für Bezirk zu erkunden. Heute, unzählige Kilometer und zwei mit Selfies vollgeknipste Handy-SD Karten später, fühle ich mich schon wie zu Hause. Besonders in meinem Bezirk Neukölln lasse ich mich an den Wochenenden treiben. Lustig. In Meinem Bezirk Neukölln.
Ein jeder Sonntag beginnt mit einem späten Frühstück auf dem Sportplatz Innstraße an der Sonnenallee. Hier kommen neben fußballbegeisterten Sportinvaliden, aufbrausenden Fußballtrainern, mitfiebernden Eltern und Geschwistern auch ich, der späte Vogel, auf seine Kosten. Denn hier wird an guten Tagen neben Kaffee, klassischen Käsekuchen, türkischem Gebäck auch herzhaftes Grillgut angeboten, während sich die kleinen Boatengs mit großer Freude auf dem Rasen duellieren. Nach meinem zweiten Kaffee in der Sonne schlendere ich weiter gen Landwehrkanal, genauer an das Weigandufer, lege mich mit meiner Lektüre in den Park, und nicke kurz ein. Es dauert nicht lange, da verdrehen mir die räucherstäbchengeschwängerte Luft und der Klang ferner Länder den Kopf und ich erwache. Ich schwenke meinen Blick nach links und entdecke eine Yoga-Gruppe, welche sich an einem liebevoll arrangierten Streifen des Parks ihrer Meditationskunst hingibt. Am Baum lehnt ein großer Spiegel, in den Ästen wiegen sich Windspiele und auf dem Boden wurden Köstlichkeiten aller Herren Länder aufbereitet. Der Sitar-Spieler zupft mit ruhendem Blick die Saiten seines gitarrenähnlichen Instruments. Ich hätte genauso gut inmitten den Hochgebirgen Indiens erwachen können. Ein ausgesprochen entspannter Start in den Tag. Leider muss ich nun weiterziehen, denn heute zeige ich Nele, der Tochter meiner Nachbarin, ein ganz besonderen Ort in Neukölln. Ich eile zurück durch den Park, vorbei an einem Jazz-Trio, an Eisverkäufern, an einer Salsatanzveranstaltung, über die Sonnenallee vorbei an den kleinen Boatengs direkt zu Nele.
Ich sage ihr nicht wohin wir gehen, es soll eine Überraschung werden. Wir nähern uns dem Stadtbad Neukölln. Sie macht große Augen und sagte wild gestikulierend: „Aber aber ich habe doch gar keine Schwimmsachen dabei!“ Gar keine schlechte Idee, dachte ich mir. Schließlich galt das Stadtbad Neukölln zur Zeiten seiner Eröffnung als eines der schönsten Bäder Europas und ist somit immer ein Besuch wert. Aber nicht heute. Gleich hinter dem Stadtbad befindet sich ein Oase, ein Kleinod an Kreativität und Phantasie, das KinderKünsteZentrum. Wir sind noch keine 10 Sekunden drin, schon springt Nele vergnügt durch den fantastischen Garten, um den Brunnen, vorbei an einem Holzpferd, der Regenbogeninstallation hinein in das Hauptgebäude. Hier können Kinder sonntags mit ihren Eltern Kunst von Kinder für Kinder nicht nur betrachten sondern erleben, spüren, im wahrsten Sinne des Wortes begreifen mit allen Sinnen. Zusammen unternehmen wir eine Reise durch das Sonnensystem, Nele ist die Erde, ich der Mond. Nele fliegt mit einer Rakete um die Sonne, spürt ihre Hitze, baut Austronautenschmuck verwandelt sich in einen Sonnengott.
Die Sonne steht schon etwas tiefer, als wir zwei Stunden später vergnügt, inspiriert und klüger als vor dem Besuch das KinderKünsteZentrum verlassen. „Schade“, meinte Nele enttäuscht. „Eben noch war ich der Sonne so nah und schon ist sie wieder weg.“ „Na dann müssen wir eben zur Sonne“, entgegnete ich. Gerade mal 10 Minuten später befinden wir uns im Fahrstuhl der Neukölln-Arcaden auf dem Weg in den 5. Stock. Auch wenn hier sonntags die Geschäfte geschlossen haben, ist das Parkdach immer eine Reise wert. Nele und ich kommen aus dem Staunen nicht mehr raus. Hoch oben über den Dächern Neuköllns hat der Klunkerkranich sein Zuhause. Kreative Menschen mit einem grünen Herz haben es sich zur Aufgabe gemacht, eine innerstädtische Zuflucht für das gemeinsame Gärtnern und Initiativen rund um Stadtökologie zu schaffen. Hier werden Themen wie z.B. Nachhaltigkeit und Artenvielfalt in Bildungs-, Forschungs- und Kiezkooperationen behandelt. Zusammen sitzen wir auf einer selbstgebauten Bank, lassen die Beine baumeln schlürfen unsere Schorle, im Hintergrund spielt eine Band. Doch Nele hat nur eins im Blick, die Sonne.
Autor:Daniel Grimm aus Neukölln |
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