Türkischer Friedhof wird 155 Jahre alt
König Wilhelm I. schenkte dem Osmanischen Reich den ersten Bestattungsplatz in Deutschland

Der historische Friedhof vor der Moschee am Columbiadamm. | Foto:  Schilp
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Dass es in Neukölln einen islamischen Begräbnisplatz gibt, wundert nicht. Schließlich leben viele Muslime im Bezirk. Doch der Türkische Friedhof am Columbiadamm 128 hat mit den Einwanderern der letzten Jahrzehnte nicht das Geringste zu tun. Ihn gibt es schon seit 1866. Damit ist er der älteste seiner Art in Deutschland.

Seine Wurzeln reichen noch weiter in die Vergangenheit, nämlich bis ins Jahr 1798. Damals starb Ali Aziz Efendi, Schriftsteller und erster ständiger Botschafter des Osmanischen Reiches in Preußen. König Friedrich Wilhelm III. stellte ein Gelände zwischen der heutigen Kreuzberger Urban- und Blücherstraße zur Verfügung, auf dem Ali Aziz nach islamischen Ritus begraben werden konnte. Weitere Bestattungen von meist hochgestellten Persönlichkeiten muslimischen Glaubens folgten.

Das Grab von Hafiz Schürki (1871-1924), Obergeistlicher der Türkischen Botshaft, der sich auch etliche Jahre um die Friedhof kümmerte. | Foto: Schilp
  • Das Grab von Hafiz Schürki (1871-1924), Obergeistlicher der Türkischen Botshaft, der sich auch etliche Jahre um die Friedhof kümmerte.
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Als der Begräbnisort dem Neubau einer Kaserne weichen sollte, schenkte König Wilhelm I. dem Osmanischen Reich das Grundstück am heutigen Columbiadamm. Am 19. Dezember 1866 wurden die sterblichen Überreste umgebettet, vor fast exakt 155 Jahren. Von Anfang an stand der Friedhof aber nicht nur Türken, sondern allen Muslimen Berlins zur Verfügung. Auch aus anderen Städten und Gemeinden wurden Verstorbene dorthin gebracht.

Den Namen „Sehitlik“ (Märtyrer) trägt die Begräbnisstätte seit dem Ersten Weltkrieg. Das Osmanische Reich kämpfte damals an der Seite Deutschlands und Österreichs, gefallene türkische Soldaten fanden dort ihre letzte Ruhestätte. Sehitlik heißt auch die Moschee auf demselben Grundstück, die 2005 eröffnete.

Die Gräber auf dem Lilienthalfriedhof weisen Richtung Mekka liegen deshalb nicht parallel zum Fußweg. | Foto: Schilp
  • Die Gräber auf dem Lilienthalfriedhof weisen Richtung Mekka liegen deshalb nicht parallel zum Fußweg.
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Von einst 220 Gräbern sind noch rund 150 erhalten. Bestattungen finden seit Langem nicht mehr statt, schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gab es keinen Platz mehr. Deshalb stellte Berlin Flächen auf dem benachbarten Garnisonsfriedhofs zur Verfügung. Nun konnten dort Gräber angelegt werden, die in Richtung Mekka ausgerichtet sind. Weil es rund 60 000 Muslime in Neukölln gibt, waren auch diese Begräbnisfelder bald belegt. Nach langer und erfolgloser Suche beschloss der Bezirk Neukölln im Jahre 2017,Teile des Lilienthalfriedhofs in der Nähe vom Südstern für Bestattungen nach islamischem Ritus freizugeben. Platz ist dort für rund 1600 Begräbnisstätten.

Nicht alle Muslime wünschen eine traditionelle Beisetzung. Sie lassen sich auf einem „normalen“ landeseigenen Friedhof beisetzen, der Menschen aller Religionen offensteht. Dennoch ist die Nachfrage nach Ruhestätten, die gen Mekka weisen, in den vergangenen Jahren gestiegen. Das hat seinen guten Grund: Wurden die Verstorbenen früher häufig in die „alte Heimat“ überführt, fühlen sich heute die meisten in Berlin verwurzelt und möchten auch hier begraben werden.

Heute mehr Grabfelder

Deshalb ist das Angebot größer geworden. Lange Zeit waren islamische Bestattungen nur in Neukölln und Gatow möglich. Inzwischen gibt es Grabfelder auf dem landeseigenen Friedhof Ruhleben, dem Luisenfriedhof III in Westend und dem Neuen Zwölf-Apostel-Kirchhof in Schöneberg. Darüber hinaus wurde auf dem landeseigenen Friedhof Pankow III ein interkulturelles Grabfeld eingerichtet. Und schließlich steht der Alevitischen Gemeinde Platz auf dem Neuköllner St.-Thomas-Friedhof an der Hermannstraße zur Verfügung.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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