Aus dem dunkelroten Neukölln
Neue Ausstellung über 1918 im Rathaus
Vor hundert Jahren, am 9. November 1918, erreichte die Revolution die Reichshauptstadt und das „rote Neukölln“, wo sie stürmisch begrüßt wurde. Eine Ausstellung des Mobilen Museums Neukölln im Rathaus erzählt in zwölf Kapiteln von dieser aufregenden Zeit.
Berichtet wird über die Ereignisse vom November 1917, als die Bolschewiki in Russland putschten, bis zum März 1919, als der sozialdemokratische Oberbefehlshaber Gustav Noske auf aufständische Linke schießen ließ. Damit war der Traum von einem kommunistischen Deutschland, den viele geträumt hatten, endgültig zerplatzt.
Das Layout der einzelnen Info-Tafeln orientiert sich an damaligen Zeitungen. Auf den einzelnen Seiten werden große Nachrichten verkündet und viele Neuköllner Begebenheiten und Persönlichkeiten vorgestellt. Der Besucher kann sich aber auch darüber informieren, welche Kinofilme zu jener Zeit liefen. „Berlin war damals rot, und Neukölln dunkelrot“, so Henning Holsten, Kurator der Ausstellung. Hier hatte die Spartakisten ihre erste Hochburg, hier hielt Rosa Luxemburg schon 1914 Seminare – und hier fand sie knapp fünf Jahre später einen ihrer letzten Unterschlupfe, bevor sie von Freikorps-Soldaten ermordet wurde.
Politische Umwälzungen
Nachdem der Kaiser am 9. November abgedankt hatte, besetzten die radikalen Führer der Neuköllner USPD – eine Abspaltung der SPD – sofort die Rathausdruckerei. Einen Tag später erschien ihr Programm, das nichts Geringeres forderte als die „Weltrevolution“. Auch das Polizeipräsidium an der Wildenbruchstraße wurde noch am ersten Revolutionstag gestürmt, die lokale Staatsgewalt entmachtet. Ohne Gewalt. Sogar das bürgerliche „Neuköllner Tageblatt“ lobte, es habe „keinerlei Ruhestörungen oder sonstige Ausschreitungen“ gegeben.
Wenig später zog der Arbeiter- und Soldatenrat ins Rathaus ein. De Sitze teilten sich USPD und SPD. Auch hier konnte Neukölln mit einer Besonderheit aufwarten: Während die Räte in Groß-Berlin reine Männersache waren, gab es hier zumindest ein weibliches Mitglied: Gertrud Scholz, die sich besonders mit der Lebensmittelversorgung der Bürger und der Organisation der Volksküchen einen Namen machte.
Historischer Stadtplan als Bonbon
Übrigens: Wer sich die gesamte Schau noch einmal zu Hause in Ruhe ansehen will, kann ein „Magazin“ im Zeitungsformat erwerben. Es kostet zwei Euro. Ein Bonbon: In der Mitte befindet sich ein „Übersichts-Plan der Stadt Neukölln“ aus dem Jahr 1912, auf dem Amtsgebäude, Wohnungen wichtiger Akteure, Versammlungsorte und Kinos eingezeichnet sind.
Die Ausstellung in der ersten Etage des Rathauses, Karl-Marx-Straße 83, ist bis zum 16. Januar zu sehen, danach zieht sie in die Helene-Nathan-Bibliothek in die gegenüberliegenden Neukölln Arcaden. Anfragen zur pädagogischen Begleitung von Schulklassen sind unter museumslehrer@museum-neukoelln.de möglich.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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