Der Einsiedler von Rixdorf
Philosoph Bruno Bauer arbeitete und lebte auf einem kleinen Bauernhof
In Neukölln lebten nie viele Intellektuelle, eine seltene Ausnahme ist Bruno Bauer (1809-1882). Der Philosoph, Theologe und Historiker – heute weitgehend in Vergessenheit geraten – galt als der „Einsiedler von Rixdorf“.
Sein Vater ist ein einfacher Porzellanmaler, doch er möchte, dass sein Sohn Bruno studiert. Der schreibt sich für evangelische Theologie ein. Er geht in der geistigen Arbeit auf und wird begeisterter Hegelianer und scharfer Religionskritiker. Aufsehen erregt er, als er schreibt, die Evangelien des Neuen Testaments seien Literatur und beruhten nicht auf Tatsachen. Auch vertritt er die Meinung, dass sich eine historische Person Jesus von Nazareth nicht nachweisen lasse.
Im Jahr 1841 nimmt Bruno Bauer an der „Welcker-Serenade“ teil, einer Feierstunde demokratisch gesinnter Bürger, die als ungehörige Kundgebung gewertet wird. Das bringt das Fass zum Überlaufen. Die Obrigkeit entzieht Bauer seine Lehrberechtigung für Theologie auf Lebenszeit. So scheitert seine akademische Laufbahn, fast zum selben Zeitpunkt wie die Habilitation seines Freundes Karl Marx, die er gefördert hatte.
Doch Bauer bleibt kein kämpferischer Demokrat. Nach der Märzrevolution 1848 und der darauf folgenden Restauration wendet er sich konservativen Positionen zu und verfasst auch antijüdische Artikel.
Über sein Leben in Rixdorf berichten die Quellen Unterschiedliches. Die einen sagen, er sei bereits 1844 auf den Bauernhof an der Knesebeckstraße (heute Silbersteinstraße) gezogen, um Frau und Kinder seines verstorbenen Bruders Edgar zu unterstützen. Die anderen sprechen davon, dass er ihm nur half und der ihn sogar überlebte. Fest steht, dass sich Bauer oft in sein Arbeitszimmer zurückzog, einen umgebauten Stall, sich in Lektüre vertiefte und unermüdlich schrieb. Sein Hauptwerk „Christus und die Cäsaren“ soll hier entstanden sein, wie auch viele andere Bücher und Schriften.
Für die Nachbarn ist er schnell der „Einsiedler von Rixdorf“. Einmal in der Woche lässt er sich auf einem Bretterwagen nach Berlin mitnehmen. Sein Auftreten ist bescheiden, sein Anzug geflickt. Er verkauft Gemüse oder tauscht es gegen Zeitungen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Danach besucht er ein paar Freunde, mit denen er früher gerne in Lokalen zusammengesessen und diskutiert hatte.
Eigentlich von robuster Gesundheit, stirbt Bruno Bauer am 13. April 1882 an einer Lungenentzündung. Beigesetzt wird er auf dem Alten St.-Jacobi-Friedhof am Hermannplatz. Später folgt die Umbettung auf den Neuen St. Jakob-Friedhof an der Hermannstraße. Dort hat er ein Ehrengrab.
Zeitgenossen erinnern sich ganz unterschiedlich an ihn. „Seine Bedeutung steht fest, mein Geschmack war er aber nicht“, urteilt Theodor Fontane über Bruno Bauer. Und weiter: „Seine kleinen dunklen Augen, klug, aber unfreundlich, bohrten alles an, was ihnen in den Weg kam“. Seine Patentochter Agathe Nalli-Rutenberg erinnert sich dagegen an die Ausstrahlung eines „tiefen Denkers“. Im Jahr 1912 schreibt sie: „Diese Augen schienen immer in weite, weite Fernen zu blicken, über alles Kleinliche, was in der Nähe war, weit weg. Wir Kinder meinten scherzend: Dr. Bauer schaut immer bis Afrika.“
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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