Geschichten aus der Köllnischen Heide
Reinhold Steinle hat für seine neueste Kieztour viel geforscht und gesammelt

Reinhold Steinle ist eingefleischter Neukölln-Fan. Er bietet sieben Führungen innerhalb des S-Bahn-Rings und zwei außerhalb an – rund um das Schloss Britz und durch die Köllnische Heide. | Foto:  Schilp
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  • Reinhold Steinle ist eingefleischter Neukölln-Fan. Er bietet sieben Führungen innerhalb des S-Bahn-Rings und zwei außerhalb an – rund um das Schloss Britz und durch die Köllnische Heide.
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Reinhold Steinle ist wohl Neuköllns bekanntester Stadtführer. Nun hat er seine neunte Kieztour entwickelt. Am Sonnabend, 6. April, heißt es zum ersten Mal „Unterwegs in der Köllnischen Heide“.

Gereizt hat ihn die Umgebung rund um den Schulenburgpark aus einem einfachen Grund: Selbst viele Neuköllner kennen diese Gegend kaum oder gar nicht. „Am Anfang habe ich selbst gedacht, ich kriege nicht genug zusammen“, sagt der gebürtige Schwabe, der in 16 Jahren weit über 1000 Führungen im Bezirk organisiert hat. Doch weil Steinle nun mal Steinle ist, hat er während seiner monatelangen Recherchen Unmengen von Material zusammengetragen. Nun weiß er so viel über Menschen, Bauwerke, Entwicklungen und Ereignisse zu berichten, dass er Mühe hat, alles in den rund anderthalb Stunden seiner Führung unterzubringen.

Der Märchenbrunnen wurde das letzte Mal um das Jahr 2000 von einer russischen Künstlerin umgestaltet. | Foto: Reinhold Steinle
  • Der Märchenbrunnen wurde das letzte Mal um das Jahr 2000 von einer russischen Künstlerin umgestaltet.
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Tief ist er in die Geschichte der einstigen Heide eingetaucht. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es dort Wiesen und Äcker, auf denen vor allem Kohl angebaut wurde. Im Jahre 1914 kaufte die Stadt Neukölln das Gelände und stellte einen Bebauungsplan auf. Aus dieser Zeit stammt auch der Schulenburgpark. Wann genau er angelegt wurde, ist jedoch laut Steinle unklar.

Die Kinder mit dem Bären gehören zu einer fünfteiligen Skulpturen-Gruppe an der Planetenstraße. | Foto: Reinhold Steinle
  • Die Kinder mit dem Bären gehören zu einer fünfteiligen Skulpturen-Gruppe an der Planetenstraße.
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Dorthin führt Steinle die Teilnehmer, nachdem dem Heidekampgraben ein Besuch abgestattet wurde, der früher im Schatten der Mauer lag. Zentrum des Parks ist der Märchenbrunnen, geschaffen vom Rixdorfer Bildhauer Ernst Moritz Geyger. Der verpasste seinem Werk zwar den pompösen Titel „Symbol des Walddomes“, doch der Volksmund setzte sich durch. Schließlich tragen die umliegenden Straßen die Namen von Rübezahl, Drosselbart, Hänsel und Gretel, und zur Eröffnung des Brunnens traten Kinder in Märchenkostümen auf. Steinle erzählt die spannende Geschichte des Bauwerks, die auch ein Spiegel von Ideologie und Zeitgeschmack ist – vom Kaisertum über die Weimarer Republik bis zur Nazizeit. Das heutige Erscheinungsbild hat nach zwei Umgestaltungen übrigens nur noch wenig mit dem Original zu tun.

Das große Wasserbecken im Schulenburgpark. | Foto: Reinhold Steinle
  • Das große Wasserbecken im Schulenburgpark.
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Weitere Stationen der Führung sind unter anderem die Tabea-Kirchengemeinde mit ihren schönen Glasmosaikfenstern und die Planetensiedlung jenseits der Sonnenallee. Dort steht auch das Erich-Raddatz-Haus aus dem Jahre 1952, benannt nach dem ehemaligen Neuköllner Sozialstadtrat „Papa Raddatz“. „Es war der erste Altersheim-Neubau in West-Berlin“, erzählt Steinle und zeigt Fotos von damals. Gefunden hat er sie in einem der Neuköllner Jahrbücher, die in den 1950er- bis 1980-Jahren erschienen sind. Er hat sämtliche Exemplare aufgetrieben und gekauft.

Platanen umsäumen das Wasserbecken im Schulenburgpark. Ganz hinten ist der Märchenbrunnen zu erkennen. | Foto: Schilp
  • Platanen umsäumen das Wasserbecken im Schulenburgpark. Ganz hinten ist der Märchenbrunnen zu erkennen.
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Ein anderes interessantes Gebäude ist die heutige Kepler-Schule an der Zwillingestraße. Eröffnet 1929 als Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, galt sie als die modernste Schule Deutschlands. Aber nicht als die fortschrittlichste. Reinhold Steinle berichtet, der Rektor Felix Wilhelm Behrend habe sich besonders vom Neuköllner Reformer Fritz Karsen und seinem Einheitsschulen-Experiment abgrenzen wollen. Bekannter Schüler des Gymnasiums war unter anderem Stanislaw Karol Kubicki, späterer Medizin-Professor und der FU-Student mit der Matrikelnummer 1. Auch der spätere Rias-Journalist und Neuköllner Stadtrat Hans-Peter Herz drückte dort die Schulbank.

Wer an der Planetenstraße wohnt, kommt häufig an fünf niedlichen Kinder-Tier-Skulpturen aus Sandstein vorbei. Niemand würde einen nationalsozialistischen Hintergrund beim Künstler vermuten. „Aber Arthur Karl Wilhelm Wellmann hat 1935 das erste antisemitische Denkmal in Deutschland geschaffen“, erklärt Steinle. Den Auftrag dazu hatte ihm der Zehlendorfer Bürgermeister erteilt und es befand sich an der Lindenthaler Chaussee. „Keine Genesung der Völker ohne Ausscheiden des Judentums“ und andere rassistische Sprüche waren auf dem Machwerk zu lesen. Wellmann stand hoch in der Gunst der braunen Machthaber. „Und so hat er dann auch den Auftrag für seine harmlosen Figürchen bekommen“, sagt Steinle.

Wer noch mehr wissen möchte: Der Rundgang beginnt am 6. April um 14 Uhr vor dem Eingang des S-Bahnhofs Köllnische Heide. Zu bezahlen sind zehn Euro. Es gibt auch Sonderführungen für Gruppen. Um Anmeldung per SMS an mobil 0163 172 67 73 wird gebeten.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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