Vertrieben oder ermordet
Stolpersteine erinnern an Nazigegner und eine Jüdin
Vier neue Stolpersteine wurden kürzlich verlegt. Sie erinnern an Menschen, die von den Nazis verfolgt, vertrieben, deportiert oder ermordet worden sind.
Stolpersteine sind dort zu finden, wo die Opfer der braunen Machthaber ihren letzten freiwillig gewählten Wohnsitz hatten. In der Brusendorfer Straße 23, nahe dem S-Bahnhof Sonnenallee, lebten Anna-Maria und Anton Grylewicz.
Anton Grylewicz wird am 8. Januar 1885 in Berlin geboren und engagiert sich schon vor dem Ersten Weltkrieg in der Sozialdemokratie. Später ist er Mitglied verschiedener kommunistisch-trotzkistischer Organisationen, zeitweise auch Neuköllner Stadtverordneter und Abgeordneter im Preußischen Landtag. Als die SA 1933 die Wohnung des Paares verwüstet, flüchtet Anton Grylewicz in die Tschechoslowakei. Seine Frau wird verhaftet, kurze Zeit später gelingt es ihr, ihm nach Prag folgen.
Aber auch dort können die beiden nicht lange bleiben, deshalb fliehen sie nach Paris. Im Jahr 1939 wird das Ehepaar aus Deutschland ausgebürgert und beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Frankreich interniert. Doch es gelingt ihnen 1941, vom besetzten Teil Frankreichs nach Kuba zu gelangen. In den 1950er-Jahren kehren sie nach West-Berlin. zurück. Anna-Maria stirbt im November 1970, Anton zehn Monate später. Beiden werden in Neukölln begraben.
Walter Schulz (1903-1937), dem ein Stein in der Donaustraße 114 gewidmet ist, überlebt die Hitler-Zeit nicht. Er besucht in Neukölln die Volksschule, lernt Maschinenbauer und arbeitet später als Obsthändler. Seit 1931 ist er arbeitslos. Im kommunistischen Roten Frontkämpferbund liefert er sich Auseinandersetzungen mit den Nazis. Schnell wird der wegen angeblicher Beteiligung an Raubüberfällen verhaftet und zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt. Im „Richardstraße-Prozess“ wird Schulz zudem des Mordes an einem SA-Mitglied angeklagt. Insgesamt fallen am 29. Februar 1936 fünf Todesurteile gegen kommunistische Kämpfer. Unter ihnen Walter Schulz, er wird am 8. Juli 1937 in Plötzensee hingerichtet.
Ein weiterer Stolperstein wurde vor dem Haus Kottbusser Damm 88-89 in das Gehwegpflaster eingelassen. Er erinnert an die Jüdin Elise Poser. Sie wird 1881 in Breslau geboren und wohnt von 1934 bis zum 14. November 1941 am Kottbusser Damm. An diesem Datum wird sie mit rund 1000 weiteren Berliner Jüdinnen und Juden in das Ghetto Minsk deportiert. Dort wird sie ermordet.
Stolpersteine werden nicht von der Politik organisiert, jeder kann sie stiften. 120 Euro sind nötig, um eine der goldenen Gedenktafeln herzustellen und an Ort und Stelle zu bringen. Im Bezirk koordiniert das Museum Neukölln die Verlegungen. Wer Fragen dazu hat, kann sich unter stolpersteine@museum-neukoelln.de oder ¿627 27 77 20 informieren. Mehr unter www.stolpersteine-berlin.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.