Werkstatt der Kulturen war mal
Trägerwechsel in der Wissmannstraße 32
Die gemeinnützige Unternehmergesellschaft KulturNeuDenken (KND) übernimmt am 1. Januar die Regie in der Wissmannstraße 32. Das fünfköpfige Frauenkollektiv hat nach einer Ausschreibung den Zuschlag für den landeseigenen Standort bekommen.
Sechs Bewerber gab es. „Das Konzept von KND hat uns die Entscheidung leicht gemacht, es hat sich deutlich von allen anderen abgesetzt“, sagt Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Es verbinde „künstlerische Exzellenz mit Kiez und Nachbarschaft“. Außerdem werde Barrierefreiheit sehr wichtig genommen, sodass jeder, der wolle, die Angebote wahrnehmen könne. Im nächsten Berliner Doppelhaushalt seien 940 000 Euro pro Jahr für das Haus eingestellt.
Alle fünf Frauen haben Erfahrungen mit kulturellen Projekten und punkten mit mit Qualifikationen wie Wirtschaftsrecht, bildender Kunst, Politikwissenschaft und Kuratieren. Ihre Perspektive beschreiben sie selbst als dekolonial, queer/feministisch, klassenkritisch und diasporisch. Unter „Diaspora“ ist die Existenz von religiösen, nationalen, kulturellen oder ethnischen Gemeinschaften in der Fremde, nach Verlassen der Heimat, zu verstehen.
Klar ist, dass das Team an die bisherige Arbeit der Werkstatt der Kulturen anknüpfen will. Es wird weiterhin trans- und international zugehen, mit Konzerten, Ausstellungen, Tanz, Theater, Diskussionen, Performances, Filmen und anderen Veranstaltungen. „Das Haus soll natürlich ein Treffpunkt für Migranten und unterschiedliche Organisationen bleiben“, so Tmnit Zere von KND. Aber es will sich stärker nach außen öffnen, wie ihre Kollegin Nina Martin betont: „Die Anwohner sollen sich einbringen. Was wir uns vorstellen können: ein jährliches Straßenfest, Gemeinschaftsgarten und -räume, ein Nachbarschaftsmarkt, Co-Working-Spaces mit Kinderbetreuung, ein Café und andere kulinarische Angebote.“
Warum eine Neuausschreibung?
Warum aber kommt es überhaupt zu einem Trägerwechsel? Einige würden es nämlich gerne sehen, wenn der Verein Brauerei Wissmannstraße, seit 2008 mit Geschäftsführerin Philippa Ebéné an der Spitze, seine Arbeit einfach weiterführen könnte. Der Hintergrund ist ein politischer: Im Koalitionsvertrag Ende 2016 wurden neue Zuständigkeiten festgelegt. Nicht mehr die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales sollte für die Werkstatt verantwortlich sein, sondern die Senatsverwaltung für Kultur. „Bei der Kultur ist jedoch eine dauerhafte Förderung eines Trägers unüblich. Etwa alle fünf Jahre muss die Frage erlaubt sein, ob es nicht Platz für neue Ideen gibt“, begründet Senator Lederer die Ausschreibung. Dass sie zu Frustration bei der heutigen Belegschaft geführt habe, tue ihm leid. Ob Philippa Ebéné und die knapp 20 Mitarbeiter bleiben könnten, liege in den Händen von KND. Das Frauenkollektiv versichert, sich möglichst schnell mit den Beschäftigten zusammenzusetzen.
Übrigens steht der erste thematische Schwerpunkt von KND bereits fest: eine Ausstellung und andere Veranstaltungen rund um den „Freistaat Barackia“. Der gründete sich 1870, als sich rund 1000 Menschen in selbstgebauten Hütten zwischen Kottbusser Tor und Hasenheide ansiedelten – damals noch vor den Toren Berlins. Grund war die katastrophale Wohnungsnot und das Spekulantentum. Die Parallelen zu heute seien nicht zu übersehen, meint das Frauenteam.
Wer mehr über das Kollektiv wissen möchte, wird auf der Seite www.kulturneudenken.de fündig. Hier kann auch jeder seine Ideen und Wünsche für die zukünftige Nutzung des Kulturstandorts loswerden. Auch Vorschläge für einen neuen Namen sind erwünscht.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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