Mächtig und verhasst
Vom Imagewandel einer Zigarette aus der Nachbarschaft
Er steht für Männlichkeit, Freiheit, Abenteuer – und es gibt wohl kaum einen Ort, wo man ihn weniger erwartet als im tristen Gewerbegebiet rund um die Neuköllnische Allee: Die Rede ist vom Marlboro-Mann.
Der mehrere Meter große Kerl krönt das Dach des Zigaretten-Herstellers Philip Morris an der Haberstraße 10. Er ist die Galionsfigur des Konzerns, er brachte die Glimmstängelmarke, für die er steht, ganz nach vorn. Sie ist die meistverkaufte der Welt.
Heutzutage ist der Ruhm des taffen Cowboys allerdings etwas verblasst, das Nikotin-Inhalieren wird eher als gesundheitsschädliche Sucht denn als Genuss begriffen. Trotzdem: Jeder, der den Marlboro-Mann noch aus der Fernsehwerbung kennt, wird ihn auf immer mit Wild-West-Romantik verbinden. Das Ende der TV-Auftritte kam in Deutschland 1974, auf Plakatwänden und im Kino qualmte er weiter.
Früher eine Damenzigarette
In seinem Mutterland, den Vereinigten Staaten, machte der reitende Macho viereinhalb Jahrzehnte Reklame, von 1954 bis 1999. Zum Zeitpunkt des Kampagnenendes kannten ihn 90 Prozent der Schulkinder. Da wundert es nicht, dass das Autoren-Trio Dan Karlan, Allan Lazar und Jeremy Salter ihn auch noch 2006 auf Platz eins ihrer Liste der „101 einflussreichsten Menschen, die es nie gab“ setzten. Vor Big Brother, King Arthur und Santa Claus. Das US-Fachmagazin Advertising Age schrieb über die Werbefigur, sie sei „das mächtigste – und mancherorts verhassteste – Marken-Image des Jahrhunderts“.
Da mutet es fast wie ein Witz an, dass Marlboro einst eine ausgesprochene Damenzigarette war, die ab den 20er-Jahren mit dem Slogan „Mild As May“ (Mild wie der Mai) angepriesen wurde. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Marke einen Einbruch, und Philip Morris stellt die Produktion ein.
Die neue Version
Als Anfang der Fünfziger das Rauchen öffentlich mit Lungenkrebs in Verbindung gebracht wurde, reagierte das Unternehmen, indem es eine Filterzigarette auf den Markt brachte – die Marlboro war wieder da. Allerdings mit neuem Auftritt: Die rot-weiße Packung ist dem Designer Frank Gianninoto zu verdanken. Der Werber Leo Burnett war es, der die Idee zum grundlegenden Image-Wandel hatte. So befragte er seine Mitarbeiter, was für sie der Inbegriff der Männlichkeit sei. Die Antwort kam schnell: der Cowboy.
So wacht dieser noch heute über die Neuköllner Fabrik, das Lasso lax über die Schulter geworfen und die Fluppe im Mundwinkel. Und wenn der Wind ungünstig steht, dringt aus den Schornsteinen hinter ihm die herbe Note Tabak hervor, die für die Marke so charakteristisch ist.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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