Weit mehr als nur ein Kino: Verena von Stackelberg zeigt Filme, lockt mit japanischer Küche und bietet Lesungen an
Neukölln. Verena von Stackelberg hat sich ihren Traum erfüllt. Vor einigen Wochen eröffnete sie ihr Kino an der Ecke Weser- und Wildenbruchstraße – samt Café-Bar und Studio. Dass sie Besonderes bieten will, signalisiert schon der Name: Wolf.
Gleich ein ganzes Rudel, aufgehängt über den großen Fenstern, begrüßt die Gäste. „Der Wolf ruft viele Assoziationen hervor. Er steht für Mysteriöses, er ist ein Einzelgänger und ein Rudeltier, man denkt an Rotkäppchen und vieles mehr“, sagt Verena von Stackelberg. Ihr Haustier solle auf jeden Fall signalisieren, dass das Kino eigene Wege gehen will. Filme mit Anspruch zeigen, die vielleicht sonst nur einmal auf der Berlinale zu sehen sind.
Außergewöhnlich ist auch die Reihe „Baby Wolfgang“. Jeden Dienstag um 10.30 Uhr stehen aktuelle Kinofilme für Mütter und Väter auf dem Programm, die ihr Kleinkind mitbringen. Das Licht ist nur gedimmt, der Ton ein bisschen leiser, es gibt Untertitel, damit nichts verpasst wird, wenn eines der Kleinen mal schreit. Der Kinderwagen findet Platz im Café und es gibt einen Wickelraum. „Die Babys sollen aber nicht älter als ein Jahr sein, größere sind im Kino eher irritiert“, sagt von Stackelberg. Die Idee hat sie aus England mitgebracht. Das Angebot werde gut angenommen.
Sechs Jahre hat die junge Unternehmerin gebraucht, um ihre Idee in die Tat umzusetzen – vom Finden des richtigen Ortes, über Geld auftreiben bis zur aufwendigen Sanierung der großen Räume. „Ich selbst hatte keinen Pfennig, verarmter Adel“, sagt sie grinsend. Sie arbeitete zum Beispiel in einem Filmverleih, wollte raus aus ihrem 50-Stunden-Job, und es waren ihre Eltern, die sie daran erinnerten: Verena, du wolltest doch immer ein Kino haben.“
Doch finanziell konnten sie ihrer Tochter nicht unter die Arme greifen. Die Banken winkten ab, aber sie fand eine kinointeressierte Investorengruppe, andere Mitstreiter und sammelte per Crowdfunding Geld im Internet. Die Räume an der Weserstraße waren ebenfalls ein Glücksfall, aber arg heruntergekommen. Zuvor hatte hier ein Bordell seinen Sitz, mit Wendeltreppe von der Bar in die Zimmer darüber. Noch früher ein Rauchwarenladen, wovon der Name „Zigarre II“ am Schaufenster zeugte. Und den Fund eines alten Backofens konnte ein Anwohner erklären: Einst habe es hier die Bäckerei „Wolfgramm“ gegeben, benannt nach dem Besitzer Wolf. Ein schöner Zufall.
Anderthalb Jahre dauerte der Umbau. Nun gibt es neben der geräumigen Bar zwei Kinosäle mit 49 und 40 klassisch-roten und bequemen Plüschsesseln. Hier werden täglich Filme gezeigt. Und weil Verena von Stackelberg keine Blockbuster zeigt und das Niveau hochhalten möchte, hat sie für mehrere Standbeine gesorgt. So soll japanischer Mittagstisch noch mehr Gäste anlocken.
Und dann gibt es noch das Studio direkt nebenan, an der Wildenbruchstraße 6, ehemals ein Falafelladen mit Casino im Hinterzimmer. Hier wurde ein Veranstaltungsraum für Ausstellungen, Konzerte und Filme geschaffen. Einmal im Monat findet eine Lesung an einer langen Tafel statt, auf der Käse und Rotwein kredenzt werden. Das Herzstück des Studios ist aber der sogenannte Postproduktionsraum. Hier können Filme fertiggestellt werden, dazu gehören das Schneiden und die Farbkorrektur. „Bei uns kann der Techniker im Studio arbeiten und für den Regisseur ist es möglich, sich das Ergebnis gleich auf großer Kinoleinwand anschauen.“
Die Raum- und Equipmentmiete soll Geld in die Kasse bringen, das dann wieder für ein gutes Kinoprogramm ausgegeben wird. „Wir wollen Filmemacher noch in der Schaffensphase unterstützen“, sagt von Stackelberg. Sie hat weitere Pläne und möchte auch ausdrücklich etwas für die Nachbarschaft tun, zum Beispiel Senioren einladen oder Filme in Seniorenheime bringen. sus
Weitere Informationen und das aktuelle Programm sind zu finden unter www.wolfberlin.org.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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