Im Bett, auf dem Boden und zwischen Blumen
Zwölf Menschen über ihre Lesegewohnheiten / Ausstellung in der Bibliothek
„Ich würde jedem Kind empfehlen, zu lesen“, sagt die elfjährige Kauthar. Sie ist eine von jenem Dutzend, das Fotograf Franz Grünewald für die Ausstellung „Neuköllner Portraits“ in Szene gesetzt hat. Zu sehen ist sie in der Helene-Nathan-Bibliothek, Karl-Marx-Straße 66.
Die Idee zu der Schau hatte der Verein Berliner Büchertisch, der seinen Sitz an der Richardstraße hat. Dort gibt es auch eine Ecke für Kinder, die kostenlos mitnehmen können, was ihnen gefällt. „Wir wollten Lust aufs Lesen machen, sind im Kiez herumgelaufen und haben gefragt: Wer liest und wo und was?“, so Kaja Wesner, die sich im Verein um Leseförderung kümmert. Finanziert hat das Projekt das Quartiersmanagement Ganghoferstraße.
Unter jedem Foto befindet sich ein Text, der Auskunft über Lieblingsbücher und Lesegewohnheiten gibt. Kauthar zum Beispiel mag „Tom Gastes – Wo ich bin, ist Chaos“ von Liz Pichon. Sie schmökert am liebsten im Bett, auf der Wohnzimmercouch oder im Hinterhof. Sie nennt gleich mehrere Vorteile des Lesens: Es macht Spaß und sie lernt die Sprache und Rechtschreibung besser kennen. Muss sie mal aufs Klo, verpasst sie nichts – anders als bei einem Film. Und sie kann immer alles genau nachlesen.
Andere Kinder erzählen, dass sie es mögen, sich die Romanfiguren vorzustellen und sich in andere Welten hineinzuversetzen. Die elfjährige Alia liebt die Heldin aus „Mein Lotta-Leben“ und schmökert gerne auf dem Sofa, eine Tasse warmen Kakao griffbereit und Fernsehgeräusche im Hintergrund. Elisa, acht Jahre, findet es am gemütlichsten, bäuchlings auf dem Boden zu lesen und die gleichaltrige Elisabeth sitzt bei der Lektüre gerne auf dem Schulhof neben duftenden Blumen. Ihr Favorit: die traurige Liebesgeschichte des Wasserwesens Undine.
Lesen für die Kommunikationsfähigkeit
Aber nicht nur Mädchen und Jungs sind in der Ausstellung portraitiert, sondern auch vier Erwachsene. Unter ihnen Inka Löwendorf, Schauspielerin und Leiterin des Heimathafens, die erst relativ spät zum Lesen kam, dann aber von „Ronja Räubertochter“ begeistert war. Oder Kazim Erdogan, Psychologe und Vorsitzender des Vereins Aufbruch Neukölln. Er hatte als Kind und Jugendlicher jede Menge Zeit zum Lesen, denn er war zwölf Jahre lang im Internat. Raus durften er und seine Mitschüler nur sonnabends. Lesen sei das beste Mittel, Sprach- und Kommunikationslosigkeit zu bekämpfen, sagt er. Und genau dafür setze er sich seit vielen Jahren ein.
Die kleine Schau ist bis zum 6. Oktober in der Bibliothek zu sehen, montags bis freitags, von 11 bis 20 Uhr und sonnabends von 10 bis 13 Uhr. Danach wandert sie ins gegenüberliegende Rathaus Neukölln und im November wieder zurück; dieses Mal ins Erdgeschoss der Neukölln Arcaden.
Außerdem sollen Fotografien und Texte auch dauerhaft auf der Seite des Vereins Berliner Büchertisch unter buechertisch.org präsent sein. Wer an der Richardstraße 83 einmal vorbeischauen möchte: Geöffnet ist montags bis sonnabends von 12 bis 16 Uhr.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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