„Ich habe mich sehr geschämt“: Manfred Gresens kämpft gegen die Vermüllung

Geht doch: An der Bruno-Bauer-Straße gibt es jetzt zwei, statt nur einen Abfallbehälter. | Foto: Schilp
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  • Geht doch: An der Bruno-Bauer-Straße gibt es jetzt zwei, statt nur einen Abfallbehälter.
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Mehr als 40 000 Fotos hat er bereits gemacht, die Motive sind immer die gleichen: Müll, Dreck, Abfall, Hundekot. Manfred Gresens’ Ziel ist eine saubere Stadt. Und er belässt es nicht beim Schimpfen, sondern hat die „Aktion Clean Berlin“ gegründet.

Begonnen hat sein Engagement vor einem Jahrzehnt. Nachdem er lange Zeit in Westdeutschland gelebt und gearbeitet hatte, kehrte er 2008 nach Berlin zurück und hatte zwei Schlüsselerlebnisse. Er traf eine Touristin aus Singapur, die angesichts des Drecks am Wartehäuschen auf der Hermannbrücke äußerst verstört war und sofort nach Hause wollte. Sie hatte Angst, sich eine Krankheit zu holen. „Ich habe mich sehr geschämt, auch weil ich das saubere Singapur kenne“, erinnert sich Gresens.

Kurz darauf beobachte er eine Mitarbeiterin des Ordnungsamts, die ein Knöllchen schrieb und mit einer Bekannten plauderte. Deren Hund machte vor den Füßen der Frauen einen Haufen – die Dame vom Amt schaute ungerührt zu. „Seitdem habe ich meine Kamera immer dabei“, so der Rentner.

Seine Schreiben an Politiker, Ordnungsamt und vor allem an die Berliner Stadtreinigung (BSR) kann er gar nicht mehr zählen. Er hat sich über den oft kruden Ton und die fehlende Hilfsbereitschaft auf dem Recyclinghof Gradestraße beschwert, über die Ideenlosigkeit beim Umgang mit Sperrmüll und vor allem über die mangelnde Koordination. Da wird ein Müllhaufen vom Bürgersteig weggeschafft, der andere, direkt daneben, bleibt liegen. Da werden Glasscherben beiseitegekehrt, aber nicht entsorgt, da wird die Abfalltonne geleert, der Dreck darunter ignoriert. Sogar ein BSR-eigener, ausgebrannter Container verschandelte wochenlang die Gegend. Manfred Gresens hat auf seinen Bildern den traurigen Alltag akribisch dokumentiert.

Er zweifelt daran, dass die BSR ihr Personal vernünftig anweist. Das zeige ein weiteres Beispiel, das ihn sehr aufregt: die verstopften Zigarettenschächte an den orangefarbigen Müllbehältern. Er kennt Orte, wo sie seit fast zwei Jahren nicht gereinigt worden sind. Mit einem Teelöffel ausgerüstet, führt er vor, dass die Schicht aus Asche und Tabakresten steinhart ist. „Und der Raucher wirft seine Kippe auf die Erde“, sagt er.

Flotte Sprüche auf BSR-Fahrzeugen wie „Vielfraß“, „Mülltitalent“ oder „Leer Force One“, mit denen das Unternehmen sein Image aufpoliere, seien überflüssig. Auf diese Weise würde niemand ermuntert, seinen Müll zu entsorgen und Verantwortung zu zeigen. Werbeflächen könnten sinnvoller genutzt werden. Statt „Abfall to go“ auf eine Tonne zu schreiben, wäre die Abbildung einer Ratte mit dem Zusatz „Bitte nicht füttern“ bestimmt wirksamer, meint er. Gresens hat jede Menge weiterer Vorschläge.

Er spricht darüber auch in Schulen: Kinder hängen selbstgemalte Plakate in Geschäften auf, schreiben Aufsätze zum Thema und drehen Videos, die an öffentlichen Orten gezeigt werden. Darin wird auf Anzeigetafeln in U-Bahnhöfen nicht nur auf das Rauchverbot hingewiesen, sondern auch an den Ordnungssinn appelliert, die BSR verteilt Lose an Sperrmüll-Anlieferer und belohnt die Gewinner mit Gutscheinen, außerdem holt sie alte Möbel von Hinterhöfen ab. Viele Städte machten vor, wie es gehen könnte, so Gresens. Wien zum Beispiel sei ähnlich schmutzig wie Berlin gewesen und heute die zweitsauberste Stadt in Europa.

Für längst überfällig hält er einen Runden Tisch, an dem über Maßnahmen diskutiert und ein neues Vorgehen beschlossen wird. Oft genügen Kleinigkeiten, damit es sauberer wird. Das bewies Gresens mit einigen Mitstreitern zum Beispiel unter der S-Bahnbrücke an der Karl-Marx-Straße. Dort stellten sie einen schlichten Mülleimer auf den Gehweg. Nach kurzer Zeit war er voll. „Der Bedarf ist also da.“ Oder an der Ecke Julius- und Bruno-Bauer-Straße, wo der einzige Abfallbehälter ständig überquoll. Es kostete ihn zweieinhalb Jahre Kampf, jetzt gibt es einen zweiten - und die Umgebung ist sauberer. Von diesen Beispielen kann er viele nennen. Besonders wichtig sei es, in unmittelbarer Nähe von BVG-Wartehäuschen Mülltonnen zu installieren.

Mitstreiter willkommen

Von manchen Menschen werde er wegen seines Einsatzes für mehr Sauberkeit als Rechter abgestempelt, sagt er. Eine vollkommen verfehlte Einschätzung: Geboren in den 30er-Jahren, hat er den Krieg miterlebt und ist stolz auf seine liberalen Eltern: die Mutter eine Linke, der Vater riskierte sein Leben, um Juden aus Warschau zu schmuggeln. Manfred Gresens sucht immer Verbündete, die bei seinen Aktionen mitmachen, Vorschläge und Ideen haben oder auf Dreckecken hinweisen. Zu erreichen ist er unter gegenschmutzinberlin@yahoo.de und unter Tel. 70 71 68 68.

Mehr Infos auf http://www.aktion-clean-berlin.de, und auf Youtube („Saubermann 007“) ist Manfred Gresens sogar als Rapper zu bewundern.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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