Für eine neue Schule
Kurt Löwenstein reformierte das Neuköllner Bildungswesen
Kürzlich wurde in der Röntgen-Oberschule, Wildenbruchstraße 53, eine Dauerausstellung über Kurt Löwenstein eröffnet. Aber nicht nur diese Schau erinnert an den Mann, der das Bildungswesen reformierte.
Spuren finden sich einige im Bezirk: An seinem ehemaligen Wohnhaus an der Geygerstraße 3 gibt es eine Gedenktafel und nach ihm wurde eine Ringstraße in der Gropiusstadt benannt. Außerdem hat die Volkshochschule ihre Filiale an der Karlsgartenstraße „Kurt-Löwenstein-Haus“ genannt – den Namen hat sie von der Hauptschule übernommen, die bis 2010 hier ansässig war.
Diese fusionierte damals mit der Realschule an der Wildenbruchstraße, die übrigens auf Treptower Gebiet liegt, aber zu den Neuköllner Bildungseinrichtungen gehört. Die Regelungen besagten, dass der Name der „höheren“ Schule übernommen werden musste, also Röntgen. Der Förderverein der Schule fühlte sich aber Kurt Löwenstein so verbunden, dass sie seinen Namen behielt.
Wer war Kurt Löwenstein?
Wer war dieser Mann, der von 1885 bis 1939 lebte? Er studierte Theologie, Philosophie und Pädagogik und saß für die SPD im Reichstag. Zwölf Jahre lang, bis 1933, war er Stadtrat für Volksbildungswesen in Neukölln. Und hier bewegte er Wesentliches: Er setzte durch, dass die Höhe des Schulgelds sich nach dem Einkommen der Familie richtete und alle Kinder ein warmes Essen bekamen. Ein großer Schritt in Richtung Bildungsgerechtigkeit.
Löwenstein war zudem einer der wichtigsten Unterstützer des Reformers Fritz Karsen. Der war seit 1921 Direktor des Kaiser-Friedrich-Realgymnasiums an der Sonnenallee, heute Ernst-Abbe-Gymnasium. Die beiden Pädagogen verwandelten die Lehranstalt in eine Einheitsschule, die als erste Gesamtschule Deutschlands gilt. Mädchen und Jungen wurden gemeinsam unterrichtet, sie durften bei Unterrichtsinhalten mitreden und einen Sprecher wählen.
Den Nazis zu progressiv
Außerdem gab es Kurse für Arbeiter, die ihr Abitur nachholen wollten – der zweite Bildungsweg war geboren. So viele Neuerungen vertrugen sich schlecht mit dem monarchischen Namen. Im Jahr 1931 wurde die Einrichtung „Karl-Marx-Schule“ getauft.
Mit diesen progressiven Entwicklungen machten die Nazis Schluss. Schon kurz nach der „Machtergreifung“ 1933 verwüstete die SA Kurt Löwensteins Wohnung und setzte ihn unter massiven Druck. Er verließ Deutschland und gelangte über mehrere Stationen nach Paris.
Im Exil arbeitete er unermüdlich weiter. Er war bei der Sozialistischen Erziehungs-Internationale, im Vorstand der Kinderfreundebewegung und der Arbeiterwohlfahrt sowie Mitglied des Verbandes Deutscher Lehrer-Emigranten, um nur einiges zu nennen. 1937 wurde der jüdischen Familie Löwenstein die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Kurt Löwenstein starb am 8. Mai 1939 an einem Herzanfall. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem berühmten Pariser Friedhof Père Lachaise.
Wer sich die Dauerausstellung in der Röntgen-Schule anschauen will, die Löwensteins Lebensstationen nachzeichnet, melde sich im Sekretariat unter 29 02 76 40 an.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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