Gentrifizierung: Kindergarten „Ackerwinde“ muss raus
Neukölln. In der Kita "Ackerwinde" an der Donaustraße 10–11 geht es bunt und gemütlich zu. In den großen Altbauräumen wuseln Knirpse umher. Doch nicht mehr lange. Der neue Eigentümer will den Kindergarten loswerden.
Eine Geschichte, wie sie inzwischen oft zu hören ist: Ein Immobilienunternehmen mit schwer durchschaubaren Strukturen kauft ein Gebäude, die Bewohner bekommen eine saftige Mieterhöhung, Sanierungsarbeiten werden angekündigt, die Umwandlung in Eigentumswohnungen dräut.
Das Haus an der Donaustraße wechselte im Juni 2015 den Besitzer; im September flatterte dem Kindergarten die Kündigung zum 31. März auf den Tisch. Inzwischen gab es bereits eine Gerichtsverhandlung, weil der Eigentümer in den Sommerferien die Schlösser zu den Kita-Abstellräumen ausgewechselt hatte. Zwar ist der Zutritt wieder möglich. „Aber es wurde von einer Räumungsklage gesprochen, wenn wir nicht rechtzeitig gehen“, so Kita-Leiterin Elke Friemer.
Die "Ackerwinde" gründete sich vor acht Jahren als Initiativ-Kindergarten, der auf Grundlage der Waldorf-Pädagogik arbeitet. Es gibt einen Bereich für die „Kleinen“, die unter drei Jahre alt sind, und einen für die „Großen“. Der Betreuerschlüssel für die 27 ist gut; eine Köchin sorgt für gesundes Essen. Die Warteliste ist lang, es sei sofort möglich, eine weitere Gruppe aufzumachen.
Der zweieinhalbjährige Sohn von Michael Hörz ist eines der Kita-Kinder. Hörz versucht, Licht in die komplizierten Eigentumsverhältnisse zu bringen. Hinter allem stünde das Unternehmen „Berlin Aspire Real Estate GmbH“, das einen fragwürdigen Ruf habe. Tatsächlich berichtete die Berliner Mietergemeinschaft im Jahr 2014 von „Vertreibung von Mietern, Täuschung von Käufern und Zwischennutzung als Ferienwohnungen“.
Die Aspire habe etliche Einzel-GmbHs gegründet, so Hörz. „Darunter auch die Meron Residential GmbH & Co KG, der unser Haus gehört.“ Und für diese gebe es wiederum eine andere, geschäftsführende GmbH. Die Hausverwaltung aller Objekte habe die Bearm GmbH übernommen, die der Kita auch die Kündigung ausgesprochen hat. „Wir wissen schon eine ganze Menge, haben aber noch nicht alle Verflechtungen ergründet. Uns sind die ganzen Firmen bekannt, nicht aber all deren Gesellschafter.“ In der Praxis heißt das für die Kita-Leute und die Mieter, dass sie keinen konkreten Ansprechpartner haben. Ackerwinde-Mitarbeiterin Gabriele Albrecht berichtet von filmreifen Szenen: „Da laufen englisch sprechende Herren in Anzügen und Damen in Kostümen durchs Haus. Keiner weiß, was sie hier suchen. Werden sie angesprochen, geben sie vor, nichts zu verstehen.“
Wie geht es für den Kindergarten weiter? Nach monatelanger Suche ist für die „Kleinen“ eine Unterkunft an der Flughafenstraße gefunden. Die „Großen“ könnten übergangsweise an die Wissmannstraße übersiedeln – doch nur bis zum Sommer. Das würde außer Umzugsstress nicht viel bringen. Elke Friemer hofft deshalb, dass die älteren Kinder über den Kündigungstermin hinaus in der alten Kita bleiben können und doch noch eine geräumigere Bleibe für alle gefunden wird. Die Chance scheint zu bestehen. Denn nach monatelangem Schweigen wurde die Kitaleiterin überraschenderweise am 25. Februar zu einem ersten Gespräch mit dem Aspire-Geschäftsführer eingeladen. Er versprach den "Großen" ein Bleiberecht über den Kündigungstermin hinaus. Die Mitarbeiter sind jedoch nur vorsichtig optimistisch. Sie warten nun auf eine schriftliche Vereinbarung der Anwälte beider Seiten.sus
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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