Bürgerinitiative lehnt Wohnungs- und Gewerbeneubau am Tempelhofer Feld ab
Wie kam es zur Gründung Ihrer Bürgerinitiative und wie viele Mitglieder haben Sie?
Kerstin Meyer: Unsere Initiative setzt sich aus Menschen zusammen, die sich zum Teil schon sehr lange mit dem Feld und seiner geplanten Nutzung beschäftigen. Es war ja schon bald nach der Öffnung klar, dass der Senat einen Masterplan zur Bebauung ausarbeitet. Die Anhänger unserer Bürgerinitiative können wir nicht zählen, der Verein hat aber etwa 100 Mitglieder.
Warum sind Sie so strikt gegen jegliche bauliche Veränderung auf dem Tempelhofer Feld? Der Bundestagsabgeordnete Dr. Fritz Felgentreu (SPD) wirft Ihnen vor, nach Ihrem Entwurf wären weder der Einbau von Duschen und Toiletten auf den Sportplätzen noch das Aufstellen von Sitzbänken auf dem Feld möglich.
Kerstin Meyer: Ja, wir müssen diese Falschinformationen immer wieder entkräften. Tatsache ist: Wir wollen keinen Stillstand. Das ThF-Gesetz steht ausdrücklich für Weiterentwicklung auf dem Feld - nur eben ohne Bebauung. Unser Gesetz ist im Gegensatz zur Version des Abgeordnetenhauses sehr gut ausgearbeitet. Parkbänke, Bäume und so weiter sind natürlich möglich. Sanitäre Anlagen auf dem äußeren Wiesenring ebenfalls. Kleingewerbliche Gastronomie ist explizit erwünscht.
Es gibt übrigens schon viele Gebäude auf dem Tempelhofer Feld, die man für solche Dinge nutzen könnte. Es geht uns um den wunderbaren öffentlichen Raum, der in nur vier Jahren zum beliebtesten Park der Stadt geworden ist, den an sonnigen Tagen viele Tausende Berliner zusammen nutzen und der gleichzeitig ein Schutzraum für eine besondere Flora und Fauna ist. So etwas ist einmalig in Deutschland. Wenn wir das Feld jetzt nicht zubauen, kommt in zehn Jahren niemand mehr auf diese Idee. Weil wir bis dahin alle verstanden haben, welchen Wert dieser Park hat. Den Ausverkauf von Grünflächen betreibt der Senat derzeit systematisch, überall in der Stadt.
Sie kritisieren, die Hälfte der drei Bauflächen sei insgesamt für Gewerbe vorgesehen und nicht für Wohnungen.
Kerstin Meyer: Wir haben errechnet: Auf dem Baufeld am Tempelhofer Damm sind etwa 30 Prozent Wohnraum geplant, der Rest ist Gewerbe und die geplante ZLB. Am Baufeld Südring macht der Wohnungsbau nur 20 Prozent der Fläche aus. Insgesamt wären nur 50 Prozent der Baufelder für Wohnungen vorgesehen. Viele sagen: Das Feld ist zu kostbar für Gewerbeflächen, außerdem hat Berlin doch heute schon einen enormen Gewerbeleerstand.
Wo sonst als auf diesem großen Feld sollen aber knapp 5000 Wohnungen Platz finden?
Kerstin Meyer: Es gibt einen Flächenreservebericht des Senats, mit dem man arbeiten könnte. Berlin wurde vor 120 Jahren radial angelegt, so dass es nach außen hin wachsen kann. Warum nicht die Lebensqualität in allen Bezirken aufwerten, statt weiterer teurer Prestigeprojekte in der Innenstadt durchsetzen? Berlin ist polyzentrisch, anders als London oder Paris. Der bevorstehende Volksentscheid hat eine stadtweite Debatte darüber ja schon ausgelöst.
Was wir auch nicht verstehen: Die Baufelder auf dem Tempelhofer Feld sollen mit öffentlichen Geldern besonders teuer erschlossen werden, sind aber zu 80 Prozent im hochpreisigen Segment. Die Tempelhof Projekt GmbH redet selbst von 14 Euro nettokalt an der Oderstraße, das verstehen wir nicht. Teure Wohnungen bauen sich doch von selbst. Eine Entlastung der angrenzenden Kieze wird es auch nicht geben. Im Gegenteil: Eine Aufwertung durch hochpreisigen Neubau wird die Preisspirale über den Mietspiegel noch höher schrauben und noch mehr Leute verdrängen. Wir sehen doch überall in der Stadt: Der Senat macht sich zum Spielball der Investoren, statt sich für eine sinnvolle Stadtplanung einzusetzen.
Sehen Sie sich an, wie so etwas in London aussieht, wenn Investoren die Stadt beherrschen. Dort stehen ganze Straßenzüge leer, weil Wohnungen zu Spekulationsware geworden sind. Uns geht es jetzt um die Frage, in was für einer Stadt wir eigentlich leben wollen. Dass über solch wichtige Fragen nicht in Hinterzimmern entschieden werden darf - dafür können die Berliner am 25. Mai ein starkes Zeichen setzen.
Wie beurteilen Sie die Formulierungen auf dem Stimmzettel? Kritiker meinen, der Unterschied zwischen dem Gesetzentwurf der Initiative und dem des Abgeordnetenhauses sei nicht klar genug in den Texten formuliert.
Kerstin Meyer: Das stimmt. Der Stimmzettel ist ganz schwer zu verstehen. Vorwerfen muss man SPD und CDU, dass sie sich an unseren Formulierungen orientiert haben, um die Wähler zu verwirren. Deshalb sei hier noch einmal deutlich gesagt: Wer für den Gesetzentwurf der Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld ist, muss oben auf dem Stimmzettel mit "Ja" stimmen. In jedem anderen Fall, auch bei einer Enthaltung, unterstützt man direkt oder indirekt, dass der Senat seine Bebauungspläne realisiert.
Autor:Sylvia Baumeister aus Neukölln |
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