Neuköllner Bündnis startet Kampagne gegen Analphabetismus
Neukölln. 14,5 Prozent der deutsch sprechenden Erwachsenen sind funktionale Analphabeten. In Neukölln sind das 28 000 Menschen, die größtenteils unentdeckt bleiben. Mithilfe der Aktion Alpha-Kompetenz soll sich das ändern, um Betroffenen helfen zu können.
Jörg B. sitzt vor einem Mitarbeiter der Krankenkasse. Als der Versicherte ein Formular ausfüllen soll, täuscht er vor, seine Brille vergessen zu haben. Wie in diesem Fall versuchen Menschen, die keine zusammenhängenden Sätze lesen und schreiben können - sogenannte funktionale Analphabeten - diese Tatsache zu verbergen. Voller Scham über ihre "Schwäche" suchen sie sich keine Hilfe. Dabei ziehen sich die Probleme durch alle Lebensbereiche: Schule, Job, soziale Kontakte. Bemerkt ein Arzt, Jobvermittler oder Mitarbeiter einer Einrichtung überhaupt, dass er es mit einem Lese- und Rechtschreibschwachen zu tun hat, ist er oft nicht in der Lage, diesem Hilfe zu vermitteln. Genau an diesem Punkt will das Alpha-Bündnis Neukölln, ein Zusammenschluss des Vereins Lesen und Schreiben e. V. mit derzeit über 30 Neuköllner Einrichtungen aus den unterschiedlichsten Bereichen, ansetzen. "Es muss mehr Öffentlichkeit für dieses Thema geschaffen werden. Wir können nicht warten, bis die Politik endlich handelt", sagt Claire Paturle-Zynga, Koordinatorin des Bündnisses. Bei mehrmaligen Treffen im Jahr werden Informationen zum Thema ausgetauscht. In dem Netzwerk entstand auch die Idee zur "Aktion Alpha Kompetenz": "Wir wollen Mitarbeiter in allen Bereichen, die mit Lese- und Rechtschreibschwachen in Kontakt kommen, gezielt sensibilisieren und schulen. Davon profitieren sie auch selbst", erklärt Theresa Hamilton, Projektleiterin der Aktion. Der Verein Lesen und Schreiben im Herrnhuter Weg 16 bietet am 28. August und 5. September von 9.30 bis 15 Uhr sowie am 13. September von 12 bis 18.30 Uhr Fortbildungen zum Umgang mit der Zielgruppe an. Mit der Fortbildung erwerben die Teilnehmer einen "Alpha-Aufkleber", der an der Tür auf das Tabuthema aufmerksam macht und Betroffenen signalisiert, dass sie hier Hilfe finden können. Der Aufkleber wird von "Lernern", die im Verein lesen und schreiben lernen, entworfen und auch für funktionale Analphabeten erkennbar sein.
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