Von Vorurteilen und der integrativen Kraft des Sports
Im Jahr 2010 hatten fünf so genannte Fellows von der Initiative Teach First Deutschland das integrative Projekt "Kieze kicken!" ins Leben gerufen. Es soll jahrgangs-, kiez- und schulübergreifend dabei helfen, Mädchen im Alter von zwölf bis 17 Jahren mit unterschiedlichem sozialem, familiärem und kulturellem Hintergrund zusammenbringen. Zusätzlich zur wöchentlichen Fußball-AG an der jeweiligen Schule trafen sich alle beteiligten Teams monatlich zu den Spielen der Kieze kicken! Liga.Milena Migut ist seit August vergangenen Jahres der Fellow - eine zusätzliche Lehrkraft - die die Fußball-AG an der Albrecht-Dürer-Oberschule betreut. "Als ich dort angefangen habe, hatte ich von Fußball überhaupt keine Ahnung", sagt die gebürtige Polin lachend und gibt damit gleich zu verstehen: bei diesem Projekt geht es um viel mehr als nur um Fußball. "Also waren die Mädchen meine Trainer und haben es mir beigebracht."
Insgesamt nehmen rund zwölf Mädchen dieses Angebot an der Albrecht-Dürer-Oberschule wahr. Milena Migut hat die Erfahrung gemacht, dass über den Norden Neuköllns viele Klischees existieren, die sie so nicht teilen kann und mag. "Wenn man Menschen über Neukölln reden hört, muss man ja glauben, hier sei die Hölle. Die Schüler, die ich kennengelernt habe, sind alle superlieb. Und damit meine ich nicht nur die Fußballmädchen." Milena Migut ist für die Mädchen mehr als nur eine zusätzliche Lehrkraft. Ob familiäre oder schulische Probleme - es gibt nichts, mit dem die Mädchen nicht zu ihr kommen könnten.
Die Idee von "Kieze kicken!" ist so simpel wie genial: "Zunächst haben die Mädchen innerhalb der AG gelernt, gemeinsam etwas erreichen zu wollen, ein Team zu sein und sich als Team ständig zu verbessern", sagt Milena Migut. "Darüber hinaus lernen sie, zusammen zu arbeiten, zusammen etwas zu planen, gemeinsam Konflikte zu lösen." Mit diesem Projekt ist es zudem gelungen, kiezübergreifende Freundschaften entstehen zu lassen - wenn zumeist auch nur in sozialen Netzwerken - und vorherrschende Vorurteile abzubauen. "Wenn wir irgendwo hinkommen, heißt es vielleicht zunächst: oh, oh, jetzt kommen die Mädchen aus Neukölln. Und wenn sie dann hören, dass wir ein Gymnasium sind, sagen sie: Wow, wie habt ihr das denn geschafft?"
So ist es dem Projekt gelungen, die Mädchen über den eigenen sozialen und kulturellen Tellerrand hinaus blicken zu lassen - und auch über den geographischen: "Als wir mal nach Spandau gefahren sind, hat ein Mädchen, als wir auf Höhe der U-Bahn-Station Berliner Straße waren, gefragt: Sind wir noch in Berlin?"
Teach First Deutschland ist eine gemeinnützige Initiative, die sich für Chancengerechtigkeit einsetzt und die Schulbildung von weniger privilegierten Kindern und Jugendlichen durch den Einsatz von zusätzlichen Lehrkräften, den so genannten Fellows, fördert. So wird Milena Migut, die der Albrecht-Dürer-Oberschule mindestens noch ein Jahr erhalten bleiben wird, weiter mithelfen, Vorurteile abzubauen: bei den Fußball spielenden Mädchen und über den Norden Neuköllns.
Autor:Michael Nittel aus Reinickendorf |
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