Ausstieg aus der Großfamilie
Bezirk will Mitgliedern krimineller Clans dabei helfen, selbstbestimmt zu leben
Für Angehörige krimineller arabischer Clans ist es in der Regel sehr schwer, sich dem Einfluss ihrer Familie zu entziehen. Deshalb haben die Bezirksverordneten auf Antrag der SPD-Fraktion beschlossen, ein Aussteigerprogramm zu entwickeln.
Ein Clan ist darauf angelegt, möglichst viele Mitglieder zu haben. Auch von denjenigen, die keine Straftaten begehen, wird erwartet, dass sie der Polizei gegenüber schweigen und sich in die Strukturen einfügen. Wer da nicht mitmachen und selbstbestimmt leben will, dem drohen ernste Konsequenzen.
Zentrale staatliche Aufgabe sei es, Clans aufzubrechen und den Einzelnen zu integrieren, so die SPD-Fraktionsvorsitzende Mirjam Blumenthal. Der Schwerpunkt des Aussteigerprogramms solle auf Jugendlichen und Frauen liegen. Dabei spiele Freiwilligkeit eine zentrale Rolle, Zwang bringe nichts.
„Der gesamte Jugendbereich muss mitziehen, die Mitarbeiter sollen mit Aussteigewilligen über ihre Möglichkeiten sprechen, ihnen Unterstützung und Alternativen anbieten.“ Enorm wichtig sei es, auch externe Fachleute hinzuzuziehen. Eine Leiterin eines Mädchentreffs könne zum Beispiel genauer um die Situation einer jungen Frau wissen, die vor einer arrangierten Hochzeit steht, als jemand aus dem Jugendamt.
Brisantes Handlungsfeld
Auch Polizei und Staatsanwaltschaft müssten eng in die Entwicklung eines Aussteigerprogramms einbezogen werden. Denn verlässt ein Mitglied seinen Clan, braucht es nicht selten eine neue Identität. „Ein Flucht ins Frauenhaus hilft einer Betroffenen zum Beispiel nichts, sie würde sofort gefunden, die Clans sind deutschlandweit sehr gut vernetzt“, so Blumenthal. Und einen Jugendlichen in einer neuen Familie unterzubringen, berge nicht nur ein Risiko für den Aussteiger, sondern auch für jene, die ihn aufnehmen.
Erfahrungen mit einem ähnlichen Programm gibt es bereits seit dem Jahr 2000. Damals gründete sich die Initiative Exit-Deutschland, die Menschen beim Verlassen der rechtsextremen Szene unterstützt.
Die Gefahr für denjenigen, der seiner kriminellen Familie den Rücken kehren will, sei aber eventuell noch größer als für einen abtrünnigen Neo-Nazi, meint Blumenthal. „Die Rechten lassen einen Aussteiger meistens in Ruhe, wenn er nicht gerade ein Geheimnisträger ist.“ Das könne bei einem Clan völlig anders sein. Deshalb gelte es, das Programm mit viel Fingerspitzengefühl und großem Sachverstand zu entwickeln.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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