Den Bedürftigen eine Stimme geben
Evangelische Landeskirche ernennt Thomas de Vachroi zum ersten Armutsbeauftragten

Thomas de Vachroi (2.v.r.) mit Tobias Unglaube vom Diakoniewerk Simeon. Superintendent Christian Nottmeier und Bischof Christian Stäblein (v.l.). | Foto: Ev. Kirchenkreis/Zimmermann
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Die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist die erste deutsche Landeskirche, die einen Armutsbeauftragten berufen hat. Es ist Thomas de Vachroi, der sich bereits seit Jahren in Neukölln besonders für obdachlose Menschen einsetzt.

„Armut ist keine Schande, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe“, sagt de Vachroi. Sie betreffe Junge und Alte, Stadt- und Landbevölkerung. Und sie ist kein Randphänomen, sondern wächst. Der gerade veröffentlichte „Paritätische Armutsbericht“ zeigt, dass in Berlin jeder fünfte als arm gilt. In Neukölln ist sogar jeder Dritte gefährdet, 2007 waren es nur gut 17 Prozent.

Der Kampf gegen Armut beschäftigt Thomas de Vachroi seit Jahren. Nun ist er Armutsbeauftragter der Landeskirche. | Foto:  Ev. Kirchenkreis/Zimmermann
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Mit dem Thema ist de Vachroi bestens vertraut, seit sieben Jahren ist er Armutsbeauftragter des Diakoniewerks Simeon, seit drei Jahren auch des evangelischen Kirchenkreises Neukölln. Eine seiner Herzensangelegenheiten ist die Tee- und Wärmestube an der Weisestraße, die tagsüber Obdachlosen offensteht. Jetzt will er seinen Wirkungskreis ausdehnen und noch stärker mit Politikern, Seniorenvertretungen, Wohnungsunternehmen und der Wirtschaft ins Gespräch kommen. Gerade hat er Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) nach Neukölln eingeladen, demnächst spricht er vorm Sozialausschuss im Deutschen Bundestag. Er will erklären, was es bedeutet, arm zu sein, und sich gegen soziale Kürzungen starkmachen. Auch in die Schulen, gerade in die unteren Klassen, müsse das Thema hineingetragen werden, damit es nicht mehr so schambehaftet sei. „Es heißt immer, Kinder sind unsere Zukunft. Das ärgert mich. Denn Kinder sind unsere Gegenwart.“

Christian Stäblein, Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, hält de Vachroi für genau den Richtigen. „Es ist schlimm, dass es einen Armutsbeauftragten braucht, und es ist gut, dass wir Thomas de Vachroi haben. Er kann sehr gut mit Menschen, und er kann auch Menschen mit Geld gewinnen.“ Und der Superintendent des Kirchenkreises Neukölln, Christian Nottmeier, ergänzt, de Vachroi werde nicht nur nach außen seine Stimme als Lobbyist erheben. Auch in der Kirche selbst müsse ein stärkeres Bewusstsein für Armut geschaffen werden.

Bischof Christian Stäblein (l.) im Gespräch mit Thomas de Vachroi. | Foto: Ev. Kirchenkreis/Zimmermann
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Ein neues Projekt, das de Vachroi angeschoben hat, ist die Wärmestube Plus, die an der Ecke Schillerpromenade und Allerstraße auf einem kircheneigenen Grundstück geplant ist. Denn die heutige Einrichtung ist längst zu klein, und der Mietvertrag läuft nächstes Frühjahr aus. Am künftigen Standort soll nicht nur ein größerer Treffpunkt entstehen, sondern auch 16 Einzelapartments, in die Obdachlose einziehen können. „Der Bauantrag ist gestellt, wir können hoffentlich 2025 beginnen“, berichtet Oliver Unglaube, Geschäftsführer des Diakoniewerks Simeon, das das Haus betreiben wird. Jetzt werde mit dem Vermieter an der Weisestraße über eine mögliche Vertragsverlängerung gesprochen. Eine Lücke in der Versorgung werde es aber auf keinen Fall geben, es existiere ein Plan B, sprich: ein mögliches Ausweichquartier. Bischof Stäblein nutzte übrigens den Tag von de Vachrois Ernennung, um die Schirmherrschaft für das Projekt zu übernehmen.

Thomas de Vachroi hat schon viel erlebt und geschafft. Geboren wurde er 1960 in Sachsen. Er machte eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Wegen „Verbreitung staatsfeindlicher Schriften“ kam er als 20-Jähriger in Haft, bis er 1987 in den Westen abgeschoben wurde. Sechs Jahre lang leistete er Entwicklungsdienst im Kosovo. Von 2011 bis heute leitet er das Diakoniehaus Britz. Ein Jahr unterbrach er diese Arbeit, um 2015 eine wegweisende Flüchtlingsunterkunft im Rathaus Wilmersdorf für mehr als 1000 Menschen aufzubauen.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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