Gelebte Inklusion: Projekt Sonnenfamilien erhält den Neuköllner Bürgerpreis 2017
Neukölln. Die „Sonnenfamilien“ in der High-Deck-Siedlung ist eines von zwei Neuköllner Projekten, die kürzlich von der Bürgerstiftung Neukölln ausgezeichnet wurden. Mit dem Preis will die Stiftung herausragendes zivilgesellschaftliches Engagement im Bezirk fördern.
„Gesellschaft gestalten“ lautete das diesjährige Motto des Bürgerpreises, der 2004 erstmals vergeben wurde. Vorgeschlagen werden konnten auch diesmal Vereine, Projekte oder Initiativen, in denen sich Menschen zusammentun, um sich für ein friedvolles, multiethnisches Zusammenleben im Bezirk zu engagieren. Zwei erste Preise gab es diesmal: Neben dem Nachbarschaftshilfe-Projekt „Palotti Mobil“ der katholischen Kirchengemeinde St. Christophorus freuten sich die „Sonnenfamilien“ über die Siegprämie von 1000 Euro. „Diese Auszeichnung ist eine große Wertschätzung für uns“, sagt Ibrahim Bag.
Der Hotel- und Restaurantfachmann, der 1992 aus der Türkei nach Deutschland kam, ist Vater einer 20-jährigen Tochter mit Down-Syndrom. Er begründete 2009 das Projekt, in dem sich Eltern von Kindern mit Behinderungen regelmäßig austauschen. „Die Familie kam bei der Eröffnung des Familienzentrums in der Hänselstraße auf mich zu, weil sie einen Treffpunkt im Kiez suchte“, erzählt Martha Kauffmann vom Trägerverein AspE. Seither treffen sich dort betroffene Familien zweimal monatlich. In Gesprächen geben sie sich gegenseitig Unterstützung, machen sich Mut, tauschen sich über Hilfsangebote aus. „Als unsere Tochter Ceren geboren wurde, wussten wir anfangs überhaupt nicht, was ein Down-Syndrom ist, und welche Möglichkeiten zur Hilfe wir haben“, erklärt Ibrahim Bag.
Regelmäßig laden sich die "Sonnenfamilien" auch Referenten ein, um sich über den neuesten Stand der Gesetzgebung und finanzielle Hilfen zu informieren und helfen anderen beim Gang zu den Ämter. „Wir bestärken uns darin, Probleme zu lösen, anstatt uns für unsere behinderten Kinder zu schämen“, sagt Ibrahim Bag. Anfangs sei es ihm schwer gefallen, die Behinderung seiner Tochter Ceren zu akzeptieren. Heute nimmt er sie überall mit hin: „Mir ist es wichtig, dass jeder mein Kind sieht und erfährt, dass sie ein wertvoller Mensch ist“, sagt der Vater. Dafür, dass er sich so intensiv um seine Tochter kümmert, sei er anfangs manchmal von anderen belächelt worden. Heute weiß er: „Letztlich bin ich durch Ceren erst zum Menschen geworden.“ SB
Autor:Sylvia Baumeister aus Neukölln |
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