Wohn- oder Gewerberaum?
Gericht verhandelt über Räumungsklage gegen Bewohner der Hermannstraße 48
Am 16. Januar verhandelt das Landgericht Berlin darüber, ob die Räumungsklage gegen eine Wohngemeinschaft im Haus Hermannstraße 48 gültig ist. Dabei geht es um die grundsätzliche Frage: Handelt es sich bei dem Fabrikgebäude auf dem Hinterhof, in dem rund 70 Menschen leben, um Wohn- oder um Gewerberaum?
Der Konflikt währt schon mehrere Jahre. Nachdem ein Investor das Haus erworben hatte, machte der Bezirk Anfang 2021 von seinem Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten Gebrauch – zugunsten der Bewohner, die die Immobilie selbst übernehmen wollten. Doch das Bundesverwaltungsgericht kippte wenige Monate später das Vorkaufsrecht, sodass daraus nichts wurde.
Das Besondere: Die acht Wohngemeinschaften, einige gibt es schon seit Jahrzehnten, haben Gewerbemietverträge. Damit entfällt bei ihnen der Kündigungsschutz, den Mieter normalerweise genießen. Nachdem die WG „City Chicken“ nun die Kündigung samt Räumungsklage bekommen hat, muss das Gericht entscheiden, ob die Kündigung Bestand hat oder „ob wir die Wohnmietrechte samt Kündigungsschutz gewährt kriegen, die uns zustehen und über Jahrzehnte systematisch vorenthalten wurden“, so die Hausgemeinschaft.
Bezirksamt prüft
Auch das Bezirksamt steht auf dem Standpunkt, dass es sich bei den Fabriketagen um Wohnraum handelt. Anderenfalls hätte es vor gut zwei Jahren auch gar nicht zum Instrument des Vorkaufs greifen können. Gleichzeitig prüft der Bezirk, ob die Eigentümerin gegen das Zweckentfremdungsverbot verstößt. Denn vor drei Jahren wurde bereits einer WG im zweiten Obergeschoss des Fabrikgebäudes gekündigt, seitdem stehen die Räume leer. Ergibt die Prüfung, dass es sich um „schützenswerten Wohnraum“ handelt, kann die Eigentümerin dazu verpflichtet werden, sie wieder zu Wohnzwecken vermieten. Anderenfalls drohen ihr hohe Bußgelder.
Wie auch immer, die Hausgemeinschaft rechnet mit weiteren Versuchen, sie aus dem Haus zu bekommen. Sie kündigt an, dass sie sich vor Gericht dagegen wehren und Klagen führen wird. Weil das finanzielle Risiken birgt, sammeln die Bewohner derzeit Spenden. Am 16. Januar, wenn über die Räumungsklage verhandelt wird, wollen sie zudem ab 10 Uhr vor dem Gericht im Tegeler Weg 17-21 demonstrieren. Die Verhandlung beginnt um 11.30 Uhr.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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