Glück im Unglück: Tagesmutter wurden Mieträume gekündigt
Petra Bölter stockte der Atem, als sie Mitte Juli ihre Post öffnete: Mit zwei kargen Sätzen kündigte ihr der Hauseigentümer die Erdgeschossräume Im Ilsenhof 14. Mitte nächsten Jahres sollte sie raus. Und mit ihr zehn Kinder.
Petra Bölter ist Tagesmutter. Seit mehr als 20 Jahren betreut sie Knirpse, anfangs in der eigenen Wohnung, bis sie dann 2009 die unsanierten Räume mietete. Auf eigene Kosten brachte sie alles in Ordnung. „Dafür ging meine Altersrücklage drauf“, sagt sie.
Gemeinsam mit Tochter Stephanie kümmert sie sich von morgens um sieben bis nachmittags um fünf um ihre Schützlinge, die zwischen einem Jahr und dreieinhalb Jahren alt sind. „Und dann heißt es noch saubermachen, einkaufen und so weiter“, berichtet sie. Ein anstrengender Job, den sie aber liebt und den die Eltern der Kinder mehr als zu schätzen wissen.
Gründe für die Kündigung nannte die Akelius GmbH, seit einiger Zeit Eigentümerin des Hauses und einiger angrenzender Gebäude, nicht. Der Berliner Woche teilt Prokurist Matthias Naterski lapidar mit: „Die Mietfläche wird für die in den Jahren 2018 und 2019 geplanten Sanierungsmaßnahmen der Gesamtanlage benötigt.“ Die Frage nach sozialer Verantwortung ließ er unbeantwortet.
Petra Bölter erzählt, das schwedische Unternehmen habe einen schlechten Ruf im Haus. Gründe für fristlose Kündigungen würden gesucht. Mitarbeiter überprüften zum Beispiel Namen auf den Türschildern, um illegalen Untervermietungen auf die Spur zu kommen. „Zieht dann jemand aus, wird vom Nachfolger das Dreifache an Geld verlangt, die Mietbremse funktioniert nicht.“
Prokurist Naterski stellt das anders dar. In den Wohnungen sei lange nichts getan worden, sie müssten vor einer Neuvermietung umfassend modernisiert werden. Koste das mehr als ein Drittel des „notwendigen Aufwandes für eine vergleichbare Neubauwohnung“ würden die Regelungen der Mietpreisbremse nicht gelten.
Wie auch immer: Petra Bölter sollte raus. Es folgte eine fieberhafte Suche nach Ersatz. Drei Monate lang stöberte sie jeden Tag mit ihrer Tochter im Internet, schrieb Briefe, führte Telefonate, wandte sich ans Bezirksamt. „Die Eltern haben mir jeden leeren Laden gemeldet, den sie entdeckt haben.“ Sie hatte Glück im Unglück. Es fand sich ein neuer Vermieter, nicht allzu weit entfernt, in der Richardstraße.
„Wir können sogar unsere Turnhalle und Spielplätze weiter besuchen“, freut sich die Tagesmutter. Das neue Domizil ist aber teurer als das alte. Das Bezirksamt zahlt zwar rund 70 Prozent der Miete, aber nur bis zu einer Höchstgrenze. „Die werde ich erreichen, wahrscheinlich muss ich mehr draufzahlen als bisher“, meint sie.
Gebraucht werden die privaten Kinderbetreuungen dringend, denn in Neukölln fehlt es an Kitaplätzen. Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) teilt mit, derzeit gebe es im Bezirk 66 Tagespflegestellen mit rund 400 Plätzen. Komme es zum Verlust der Räume, versuche der Bezirk, im Rahmen seiner Möglichkeiten zu helfen.
„Unsere Mitarbeiter verfassen auch Empfehlungsschreiben für Vermieter“, sagt er. Er wolle darüber hinaus aber auch andere Unterstützungsformen prüfen lassen. „Die Tagespflege in Neukölln wird auch in Zukunft ein wichtiger Baustein der Kinderbetreuung sein“, so der zuständige Stadtrat.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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