Kleingartenkolonie an der Sonnenallee gewinnt 1500 Euro

Anlaufstelle für Reptilien, Insekten, Vögel: Am Eingang der Kolonie ist eine Oase für Tiere angelegt. | Foto: Schilp
4Bilder
  • Anlaufstelle für Reptilien, Insekten, Vögel: Am Eingang der Kolonie ist eine Oase für Tiere angelegt.
  • Foto: Schilp
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Sie zählt 32 Pächter, misst 8500 Quadratmeter: Die „Kolonie National Registrierkassen“ an der Sonnenallee 187 gehört zu den kleinsten im Bezirk. Doch die grüne Insel mitten im sozial schwachen Kiez hat Großes geschafft. Sie ist sie mit dem zweiten Preis des Kleingarten-Landeswettbewerbs ausgezeichnet worden.

„Der Februar ist der schlimmste Monat für mich, ich scharre schon mit den Hufen“, sagt Sabine Karau, Vorsitzende des Vereins. Sie will wieder buddeln, pflanzen, ernten, bauen, organisieren. Auf ihrer 265 Quadratmeter großen Parzelle hat sie eine unendliche Vielfalt an Blumen, Sträuchern, Gemüsepflanzen, Obstbäumen und Kräutern untergebracht.

„Jedes Fleckchen wird genutzt, ich besitze nicht einmal einen Liegestuhl.“ Auch wenn ihr Garten zur Blütezeit wie ein bunter Dschungel wirkt, steckt hinter der Anlage ein ausgeklügeltes System: Sabine Karau achtet genau darauf, dass die Pflanzen zusammenpassen und – ganz wichtig – dass es genug Platz und Anziehungspunkte für Bienen, Hummeln, Vögel, Igel, Eichhörnchen & Co. gibt.

Über ihren grünen Daumen war sie selbst erstaunt. Mit dem Gärtnern hatte sie bis 2003 nämlich nichts am Hut. Die kleine Kolonie entdeckte sie damals beim Spaziergang mit ihrem Mann. Der war gerade arbeitslos. „Er liebt Tiere, und er sollte etwas zu tun haben, also haben wir ein Grundstück gepachtet.“ Sich auf ihre Parzelle zurückziehen und die Natur genießen, reichte Sabine Karau bald nicht mehr. Sie besuchte Kurse, qualifizierte sich zur Gartenfachberaterin, wurde schließlich Vorsitzende. Vieles an der Anlage hielt sie für verbesserungswürdig, also sollte es angepackt werden. Sie sei sehr zielstrebig, sagt die 55-Jährige, das verdanke sie auch ihrer Zeit als Leistungssportlerin. Bis zur Vize-Weltmeisterin im Bodybuilding hat sie es gebracht.

Weil sie in Vollzeit arbeitet, geht es nach Feierabend und an den Wochenenden in die Anlage. Inzwischen hat sie mit ihren Mitstreitern viel erreicht. Die Gemeinschaftsflächen sind naturnäher geworden, gleich am Eingang gibt es eine „Sonnenfalle“, eine Steinpyramide und Vogeltränken, wo sich Kleintiere tummeln können. Neue Pflanzen und Mäuerchen, Insektenhotels, Fledermauskästen und Vogelhäuser wurden geschaffen, Kaninchendraht gegen stabile Metallzäune ausgetauscht. Außerdem ermuntert Karau die Pächter unermüdlich, Flächen zu entsiegeln und ihre Gärten tatkräftig zu bewirtschaften.

Die Kolonisten sind eine bunte Schar. „Wir haben hier Leute mit Wurzeln aus 13 Nationen“, erzählt sie: Serben („unsere Grillmeister“), Türken, Aserbeidschaner, Polen, Syrer, Algerier, Iren oder Franzosen. Das Alter liegt zwischen Anfang 20 und Mitte 80. Über das Interesse der Jüngeren freut sich die Vorsitzende sehr. Aber: „Das Gärtnern müssen sie erst lernen.“ Die sanfte Kritik kostet sie offenbar keine Sympathien. Zum Geburtstag bekam sie von allen Laubenpiepern ein T-Shirt mit der Aufschrift „Mutter der Kolonie“.

Als Karau ihr Amt antrat, musste sie auch unliebsame Entscheidungen treffen. 45 Jahre lang war der Beitrag nicht erhöht worden, die Kolonie hatte gerade einmal 570 Euro jährlich zur Verfügung. Nun ist es fast dreimal so viel, aber trotzdem reicht es an allen Ecken und Enden nicht. „Ich habe gelernt, überall liebevoll, aber hartnäckig um Dinge zu bitten, seien es Fliesen oder Blumenzwiebeln, Fördermittel oder ehrenamtliche Handwerker“, berichtet Karau.

Das dringend gebraucht, besonders für den knapp 500 Quadratmeter großen Gemeinschaftsgarten. Dort dürfen Nachbarn, Kitakinder und Behinderte werkeln – zum Nulltarif. Seit fünf Jahren nimmt er Gestalt an. Neben vielen Beeten gibt es eine neue Wasserleitung, eine überdachte Sitzfläche, Werkzeugschuppen und ein behindertengerechtes Toilettenhäuschen. Fast fertig ist das kleine Gemeinschaftshaus. Und der kolonieeigene Imker versorgt rund ein Dutzend Bienenvölker.

Bei so viel Aktivität wundert es nicht, dass die Kolonisten an der Sonnenallee beim Wettbewerb „Kleine Gärten, bunte Vielfalt“ gewonnen haben. Gut, räumt Sabine Karau ein, von 900 Berliner Anlagen hätten auch nur fünf teilgenommen. Das geringe Interesse führt sie auf Bequemlichkeit zurück und auf den Wunsch vieler Kolonisten, unter sich zu bleiben. „Zwar sind Kleingartenanlagen öffentliches Gelände, aber sobald Fremde in den Anlagen erscheinen, sind woanders Pächter oft nicht so begeistert.“

Wie auch immer: Die Freude über den Erfolg ist groß. 1500 Euro Siegerprämie werden in den Gemeinschaftsgarten investiert. Doch ganz sorgenfrei ist die Zukunft nicht. Die Schutzfrist für die Anlage läuft 2020 aus. Sabine Karau hofft, dass die Kleingärtner trotzdem noch lange bleiben können – auch weil sich viele keinen Urlaub leisten können, die Erholung vor der Haustür und das Miteinander brauchen: „Bei uns funktioniert Integration, hier tobt das Leben.“

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

29 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 280× gelesen
WirtschaftAnzeige
Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk. | Foto: VEAN TATTOO
3 Bilder

VEAN TATTOO
Tätowierer: einer der gefragtesten Berufe unserer Zeit

Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk, das nicht nur künstlerische Fähigkeiten, sondern auch ein tiefes Verständnis des gesamten Prozesses erfordert. In diesem Artikel wird VEAN TATTOO Ihnen die Welt der Tätowierkunst näherbringen und erläutern, warum der Beruf des Tätowierers heute zu den...

  • Mitte
  • 28.10.24
  • 411× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 134× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 275× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.