Spitzensportler und Widerstandskämpfer
Im Werner-Seelenbinder-Jahr erinnern Tafeln an den großen Ringer

Am Eingang zur Sportanlage: Der Ringer im Trikot und eine Tafel, die seine Geschichte erzählt. | Foto: Susanne Schilp
3Bilder
  • Am Eingang zur Sportanlage: Der Ringer im Trikot und eine Tafel, die seine Geschichte erzählt.
  • Foto: Susanne Schilp
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Vor 120 Jahren wurde Werner Seelenbinder geboren, vor 80 Jahren starb er unter dem Fallbeil. Pünktlich zu diesem doppelten Gedenktag erinnern nun zwei Tafeln am Eingang des Sportstadions in der Oderstraße 182 an den Ausnahmesportler und Widerstandskämpfer.

Bereits vor gut einem Jahr hatte die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Verband der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-VdA) die Pflege für das Grab Seelenbinders übernommen, das sich auf dem Stadiongelände befindet. Die Mitglieder drängten darauf, auch den Willen der Bezirksverordneten endlich umzusetzen. Die hatten 2017 beschlossen, vor Ort die Öffentlichkeit über das Leben und Wirken Seelenbinders zu informieren.

Werner Seelenbinder beim Training mit Karl Bilder bei der AEG Treptow im Jahr 1936. | Foto: Infotafel/Sportmuseum Olympiastadion Berlin
  • Werner Seelenbinder beim Training mit Karl Bilder bei der AEG Treptow im Jahr 1936.
  • Foto: Infotafel/Sportmuseum Olympiastadion Berlin
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Das ist nun geschehen. „Die Tafeln hat das Bezirksamt bezahlt, die Montage haben wir organisiert“, so Georg Kreuzer von der VVN-VdA Neukölln. Was derzeit zu sehen ist, sei aber nur eine „erste Umsetzung“. Es sei geplant, die endgültigen Gedenktafeln aus nachhaltigerem Material zu fertigen. Dafür laufe gerade einen Spendensammlung. Ist genug Geld beisammen, sollen die Informationen auch von QR-Codes und Links zu einem längeren Text über Seelenbinder und einer englischen Version ergänzt werden.

Werner Seelenbinder war der beste deutsche Ringer der Vorkriegszeit. Seit 1920 trainierte er im Neuköllner Sportclub „Berolina 03“. Fünf Jahre später gewann er bei der ersten Arbeiterolympiade in Frankfurt am Main, 1928 bei der 1. Internationalen Spartakiade im Moskau. Im selben Jahr wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands.

Seit 2004 heißt das Stadion Neuköllner nach dem berühmten Ringer. | Foto: Schilp
  • Seit 2004 heißt das Stadion Neuköllner nach dem berühmten Ringer.
  • Foto: Schilp
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Mit den Nazis kam 1933 das Verbot der Arbeitersportvereine. Auf Drängen seiner Genossen wurde Seelenbinder Mitglied eines bürgerlichen Vereins. Die Absicht der KPD war, dem Spitzensportler eine Plattform zu geben, um Widerstand zu leisten. Er bewies bald großen Mut und verweigerte bei einer Siegerehrung den Hitlergruß. Die erste Verhaftung folgte auf dem Fuß. Seelenbinder kämpfte weiter gegen die Nazis, unter anderem schmuggelte er Briefe ins Ausland. Seit 1938 stand er in engem Kontakt mit der kommunistischen Gruppe um Robert Uhrig und Alfred Kowalke und half beim Aufbau eines Netzes von Widerstandgruppen, vor allem in Berliner Betrieben. Anfang 1942 wurde er erneut festgenommen. Nach 33 Monaten Haft und Folter starb er am 24. Oktober 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden auf dem Schafott.

Kurz nach dem Krieg, am 29. Juli 1945, fand im Stadion an der Oderstraße ein großes Sportfest statt. Dabei gedachten Tausende den verfolgten und ermordeten Arbeitersportlern. An diesem Tag erhielt die Urne mit der Asche des Ringers ein Grab am Haupteingang, und die Sportanlage wurde auf „Werner-Seelenbinder-Kampfbahn“ getauft. Doch schon drei Jahre später wurde der Name nicht mehr verwendet – im Kalten Krieg taten sich die West-Berliner mit der Ehrung von Kommunisten schwer.

Die jährlichen Gedenkfeiern, die politische Gruppen trotzdem weiter abhielten, wurden regelmäßig von der Polizei, den Behörden und auch von der Bevölkerung behindert. Immerhin ließ das Bezirksamt zum zehnten Todestag des Sportlers einen Grabstein setzen. Doch erst 2004 erhielt die Sportanlage, nach hartnäckigen Bemühungen von Initiativen und Gruppen, den Namen Seelenbinder zurück.

Gedenken am 20. Oktober

Am Sonntag, 20. Oktober, findet eine Ehrung für den Sportler unter dem Motto „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ statt. Besucher sind ab 13.30 Uhr auf den Parkplatz vor dem Seelenbinder-Grab, Oderstraße 182, eingeladen. Auf dem Programm stehen Redebeiträge, unter anderem vom Museologen Oliver Rump, der eine Wanderausstellung über Seelenbinder erarbeitet hat.

Zum ersten Mal gibt es auch Infostände von antifaschistisch bewegten Menschen und Gruppen. Sie bieten Gelegenheit, bei einem Kaffee und einem Stück Kuchen ins Gespräch zu kommen. An einigen Stationen werden zudem Aktionen wie Spielen, Basteln, Quiz oder Sport angeboten. „So können Kinder und Jugendliche auch auf einer anderen Ebene etwas zu dem Thema erfahren“, so Kreuzer. Schließlich ist für Musik gesorgt. Zu Gast sind das Schalmeienorchester Fritz Weineck, der Arbeiter- und Veteranenchor Neukölln mit Mitgliedern des Hans-Beimler-Chors, der Rapper Refpolk und die Band Querbeet.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

30 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Schonende Verfahren für Ihre Rückengesundheit werden am 19. März vorgestellt. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Informationen für Patienten
Minimal-Invasive Wirbelsäulenchirurgie

Leiden Sie unter anhaltenden Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden? Moderne minimal-invasive Operationsverfahren ermöglichen eine schonendere Behandlung mit schnelleren Genesungszeiten. Erfahren Sie mehr über innovative Therapiemöglichkeiten bei unserem Infoabend mit Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Teamchefarzt des Caritas Wirbelsäulenzentrums. In seinem Vortrag erläutert er die Vorteile minimal-invasiver Wirbelsäulenchirurgie und zeigt auf, wann und für wen diese Methoden sinnvoll...

  • Reinickendorf
  • 18.02.25
  • 224× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 186× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 571× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.163× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.