Rixdorfer Galgen – in Flaschen abgefüllt
Bei Sommerfeld an der Richardstraße gibt es Spirituosen nach alten Berliner Rezepturen

Marcus Sommerfeld berät seine Kunden gerne in dem kleinen Laden, den seine Eltern 1976 eröffnet haben. | Foto: Schilp
  • Marcus Sommerfeld berät seine Kunden gerne in dem kleinen Laden, den seine Eltern 1976 eröffnet haben.
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Rixdorfer Galgen, Pflaume mit Pfiff oder Bunte Wolke: An der Richardstraße 31 gibt es Hochprozentiges mit Tradition. Denn schon seit fast einem Jahrhundert werden Grützmacher’s Liköre hergestellt. Das Stammhaus lag ursprünglich nur ein paar Ecken entfernt.

Am 4. Januar 1922 erhielt der Destillateur Rudolf Grützmacher Nachricht vom Berliner Polizeipräsidenten. Er erlaubte ihm, „im Deutschen Reich den Handel mit Spirituosen zu betreiben“. An der Hertzbergstraße 1 richtete der Geschäftsmann seinen Verkaufsraum ein, im Keller wurden die alkoholischen Tropfen hergestellt.

Ende der Neunzigerjahre übernahm die Familie von Marcus Sommerfeld den Vertrieb der Marke Grützmacher im eigenen Spirituosenladen an der Richardstraße. Die Produktion der Alt-Berliner Spezialitäten hat inzwischen ihren Sitz in Reinickendorf.

Neun Grützmacher-Sorten gibt es, keine Flasche kostet mehr als zwölf Euro. Das Preis-Leistungs-Verhältnis beurteilt Marcus Sommerfeld als „sehr, sehr gut“. Der Rixdorfer Galgen sei beispielsweise ein schöner, nicht zu süßer Likör. Grundlage des Feinbitters sind 38 Kräuter – darunter Ingwer aus Nigeria, Zimtrinde aus Ceylon, Anissamen aus der Türkei und Galgantwurzeln aus China. Seinen Namen hat der Trunk von der Holzbrücke, die bis 1895 die Berliner Ringbahn am heutigen Bahnhof Neukölln überspannte. Viele damals hielten den Bau des rutschigen und steilen Fußgängerüberwegs für eine Schnapsidee, das mag die Grützmachers 30 Jahre später zu der Namensgebung veranlasst haben.

Kuscherkümmel und Laubenpieperlikör

Etwas Besonderes ist auch der Echt Rixdorfer Kutscherkümmel, ein Aquavit, 32 % Volumenprozent stark, der ohne Zuckerzusatz gebrannt wird. Oder der typisch berlinerische Sauern mit Persiko, der schon um 1870 ausgeschenkt wurde. Und auch der Walnusslikör. „Der ist mit seinem feinen Geschmack ziemlich einzigartig“, so Sommerfeld. Das hat sich offenbar herumgesprochen. Wurde er früher hauptsächlich um Weihnachten herum verlangt, ist er inzwischen das ganze Jahr über begehrt.

Die Bunte Wolke bezeichnet Sommerfeld als typischen Laubenpieperlikör, hergestellt aus roten Johannisbeeren, Kirschen und Pflaumen und hervorragend zum Mixen geeignet. Fruchtig schmeckt auch „Pflaume mit Pfiff“ und räumte damit einen renommierten Preis ab. Das bäuerliche Hausrezept aus dem 19. Jahrhundert überzeugte die Jury beim „Concours International des Eaux de Vie et Liquers de Fruit“ in Metz und erhielt die Silbermedaille.

Modern, aber auch ur-Berlinerisch

Marcus Sommerfeld pflegt allerdings nicht nur Traditionen, sondern ist auch offen für Neues. So hat er Absinth von „La Berlinoise“ im Sortiment. Der wird gleich nebenan von einem Berliner und einem Schweizer hergestellt. Auch Kräuterlikör aus der Weserstraße ist im Regal zu finden, abgefüllt in alten Apothekerflaschen. Oder der Berliner Brandstifter-Gin, den er „unglaublich“ findet. „Es gibt einen regionalen Trend, und in der Stadt entwickelt sich einiges, gerade im guten Segment. Die Geiz-ist-geil-Zeit ist vorbei“, sagt er.

Dennoch: Auf Ur-Berliner Produkte wie Mampe-Schnäpse möchte er nicht verzichten. Dass er mit beiden Füßen auf der Erde steht, beweist auch eine andere Tatsache. „Die kleine Firma Sommerfeld“ nennt die Familie ihr Unternehmen seit ein paar Jahren. „Mein Vater hat meinen Bruder und mir immer gesagt: Macht nicht den Fehler, zu groß zu werden, fusioniert nicht, bleibt unabhängig.“ Als der Vater starb, sollte das Geschäft ihm zu Ehren „Heinz Sommerfeld“ heißen. Doch weil diese Bezeichnung schon vergeben war, trägt die Firma heute ihre Bescheidenheit im Namen: Die kleine Firma Sommerfeld Spirituosen GmbH, Richardstraße 31, montags bis sonnabends von 10 bis 19 Uhr geöffnet.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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