Gastronomen sollen Plastikmüll reduzieren - Mehrwegberaterinnen helfen dabei
Vor zwei Jahren hat das Bezirksamt die Kampagne „Schön wie wir“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, den Bezirk sauberer und lebenswerter zu machen. Nun sollen Gastronomiebetriebe in die Aktion einbezogen und zur Müllvermeidung ermuntert werden. Dabei helfen neue „Mehrwegberaterinnen“.
„20 000 Einwegbecher werden jede Stunde in Berlin weggeworfen, dazu kommen Pizzakartons, Dönerverpackungen, Salatschalen und, und, und“, sagte Bürgermeister Martin Hikel (SPD) bei der Vorstellung des neuen Projekts im Klunkerkranich, dem Dachgarten der Neukölln Arcaden an der Karl-Marx-Straße 66. In den kommenden zwei Jahren habe der Bezirk 135 000 Euro für die Mehrwegberatung, den Löwenanteil stellt die Senatswirtschaftsverwaltung zur Verfügung.
„Wir sprechen nicht nur mit den Geschäftsleuten, sondern auch mit Kreativen, um neue Dinge zu entwickeln“, so Stefanie Raab, eine der Beraterinnen. Ein „Bauchladen“ sei im Aufbau, es gebe auch schon viele Produkte auf dem Markt, zum Beispiel Becher aus Algen oder Kaffeesatz, ergänzt ihre Kollegin Alice Grindhammer.
Im Schillerkiez haben sich bereits die ersten Gastronomen zusammengetan. „Natürlich füllen wir schon jetzt gerne Kaffee in mitgebrachte Becher, es ist auch nichts Außergewöhnliches, dass jemand mit einem Marmeladenglas kommt“, erzählt Jana Schallau vom „Café Lux“. Einige würden diesen Kunden einen kleinen Rabatt gewähren. Eine andere Idee ist, gemeinsam Becher aus umweltfreundlichem Material produzieren zu lassen und die Kosten dafür zu teilen. Besonders liegt ihr aber der Aufbau eines kiezweiten Pfandsystems am Herzen: „Der Kunde zahlt einen Euro mehr und kann den Becher dann in irgendeinem anderen Laden wieder abgeben.“ Es sei natürlich wichtig, dass dabei möglichst viele Geschäfte mitmachten.
Im Klunkerkranich gibt es den Kaffee nur aus Porzellantassen, das schmecke eh besser, ist Geschäftsführer Robin Schellenberg überzeugt. Was ihn und viele andere Gastronomen aber sehr ärgert: „Wir zahlen 19 Prozent Mehrwertsteuer und haben mit dem Spülen mehr Aufwand. Der Außer-Haus-Verkäufer dagegen verballert Pappbecher und zahlt sieben Prozent.“ Hier sollte der Gesetzgeber ran, meint er.
Dass das Thema kompliziert ist, zeigt beispielhaft der Trinkhalm. Früher haben die Dachgarten-Barkeeper jeden Longdrink damit bestückt. Dann ist das Team dazu übergegangen, die Halme zur Selbstbedienung auf den Tresen zu stellen – der Verbrauch ging um 70 Prozent zurück. „Schließlich haben wir begriffen, dass die meisten ihn nur zum Umrühren nutzen, also sind wir auf Holzstäbe umgestiegen, Halme gibt es nur noch auf Nachfrage“, so Schellenberg. Trotzdem sei der Verbrauch und damit die Menge an Plastikmüll noch zu hoch.
Abschaffen will er die Röhrchen nicht, schließlich soll der Kunde sein Getränk genussvoll schlürfen dürfen. Also machten seine Kollegen und er sich Gedanken über andere Materialien. Glas schied wegen der Verletzungsgefahr aus, Stroh oder Papier knicke zu leicht, das sei nicht sexy, so Schellenberg. Jetzt wolle er es mit PLA versuchen, einem Biokunststoff, der hauptsächlich aus Mais hergestellt wird und zu 100 Prozent kompostierbar ist. „Aber bei der Stadtreinigung lässt man PLA gar nicht erst so lange liegen, bis es verrottet.“ Also plant Schellenberg, selbst einen speziellen Komposthaufen auf dem Gelände des Klunkerkranichs zu schaffen.
Aber ganz zufrieden ist er auch damit nicht, Mais sei schließlich ein Lebensmittel und der massenhafte Anbau fördere die Monokultur. Das Thema ist ein schwieriges, und nicht jeder, der meint, etwas Gutes zu tun, hat damit recht. „Ein Jutebeutel muss mehr als 100 Mal genutzt werden, damit er besser für die Umwelt ist als eine Plastiktüte“, so Schellenberg.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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