Bekommt der junge Adler wieder Flügel?
Das Land Berlin will das L'Aiglon-Kino für die freie Kulturszene nutzen

L'Aiglon, der Name für ein einst besonderes Kino. | Foto:  Thomas Frey
4Bilder
  • L'Aiglon, der Name für ein einst besonderes Kino.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Das Gebäude mit seiner großen Glasfassade ist typisch für den Baustil der 1950er-Jahre. Das gilt auch für das frei schwebende Treppenhaus, das von einem großzügigen Foyer nach oben führt. Einen Blick in die Innenräume in das ehemalige L'Aiglon-Kino am Kurt-Schumacher-Damm gibt es nur durch die Fenster von außen. Das Haus ist geschlossen. Und das seit 1994.

Obwohl das Haus seit 27 Jahren nicht mehr bespielt wurde, macht es von außen noch immer Eindruck. Verfallserscheinungen zeigen sich eher auf dem abgesperrten Grundstücksbereich. Aber kaum jemand weiß, wie es drinnen aussieht.

Vergessen ist das einstige Filmtheater ebenfalls nicht. Das L'Aiglon sei "ein wahrer Schatz und es wäre toll, wenn es wiederbelebt werden könnte", schrieb eine Userin. Ihr Post fand sich als Kommentar zur Frage: "Was fehlt Ihnen am Kutschi (dem Kurt-Schumacher-Platz) und seinem Umfeld?" Die Umfrage hatte die Beteiligungsplattform mein berlin.de im vergangenen Jahr durchgeführt.

Nicht nur wegen der Meinungsäußerung ist eine exakte Ortsbeschreibung nötig. Der Kurt-Schumacher-Platz, der in den kommenden Jahren umgestaltet werden soll, ist nicht weit entfernt und einer der Zentren des Bezirks Reinickendorf. Das L'Aiglon gehört allerdings bereits zu Wedding und damit zum Bezirk Mitte. Gegenüber dem Kino und damit jenseits des Kurt-Schumacher-Damms befindet sich das ehemalige Flughafengelände in Tegel ‑ ebenfalls Reinickendorfer Gebiet.

L'Aiglon ist das französische Wort für "junger Adler", verniedlicht auch "Adlerchen". Das weist auf die Geschichte des Gebäudes hin. Es entstand zwischen 1955 und 1956 als Kulturhaus der französischen Militärregierung. Frankreich, als eine der Sieger- und für West-Berlin später Schutzmächte hatte einen Großteil seiner Truppen auf einem benachbarten Kasernenareal stationiert. Es erhielt zu dieser Zeit den Namen "Quartier Napoleon", heute gehören große Teile davon zur 1995 benannten "Julius-Leber-Kaserne" der Bundeswehr.

Das L'Aiglon, nach Plänen des Architekten Hans Wolff-Grohmann erbaut, diente der Truppenbetreuung und Freizeitgestaltung der Soldaten. Das Berliner Publikum hatte dort höchstens beschränkt Zutritt. Etwa bei den seit 1971 veranstalteten Tagen der offenen Tür im Quartier Napoleon.

Nach der Wiedervereinigung und dem Ende des Vier-Mächte-Status für Berlin endete auch die Dienstzeit der Franzosen in der Stadt. Nach ihrem Abzug wurde das Kino geschlossen, der junge Adler blieb seither flügellahm.

Der Gebäudekomplex kam in die Verantwortung der BImA, der Verwaltung für die bundeseigenen Liegenschaften. Zu dem Ensemble gehört außer dem Kino auch noch ein Hotel und ein als gastronomische Nutzung konzipierter Querbau. Das Hotel ist heute Gästehaus des Sozialwerks der Bundesfinanzverwaltung.

Das Land Berlin hat ebenfalls ein Auge auf die Immobilie geworfen. Im März 2019 richtete der CDU-Abgeordnete und ehemalige Innensenator Frank Henkel eine Anfrage an den Senat, die sich mit dem Ankauf von Kulturgrundstücken in der Stadt beschäftigte. Dabei ging es auch um das "L'Aiglon".

Die Senatskulturverwaltung könne sich das Haus als Probebühne und Theater sowie als Veranstaltungsort für die Freie Szene in den Sparten Tanz, Theater, Performance, Literatur und Musik vorstellen. Derzeit erarbeite die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zum Ankauf, beziehungsweise Herrichtung der Liegenschaft als Entscheidungsvorlage.

Ein Endergebnis liege noch nicht vor, hieß es jetzt auf Nachfrage der Berliner Woche. Auch die Verkaufsverhandlungen mit der BImA dauerten an. Ein Kaufpreis stünde noch nicht fest. Die Sanierungskosten für das denkmalgeschützte Gebäude beliefen sich auf mindestens 2,4 Millionen Euro.

Es bestehe weiter großes Interesse an dem Objekt, betonte die Senatsverwaltung ebenfalls. Und es hätte auch schon Meldungen verschiedener Einrichtungen zwecks einer Nutzung gegeben. Besonders hoch sei der Bedarf vor allem in den Bereichen darstellende Künste und Tanz, wo immer mehr Räume wegen steigender Mieten aufgegeben werden müssten. Die Absicht sei, eine geeignete, nicht gewinnorientierte Trägerschaft mit einer Organisation oder Verwaltung "des zu schaffenden Kunstzentrums zu betrauen".

Allerdings wird dies noch etwas dauern. "Wir hoffen auf einen Abschluss der Verkaufsverhandlungen Anfang 2022", erklärte die Kulturverwaltung. Wegen der nach langem Leerstand umfangreichen Instandsetzungsmaßnahmen sei aber mit einer Eröffnung nicht vor 2025 zu rechnen.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

50 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 560× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 844× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 822× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.200× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.