Kinder- und Jugendbuchautor Stefan Gemmel zu Gast in der Kolumbus-Grundschule
Reinickendorf. Oft heißt es ja, dass sich der Nachwuchs nicht mehr für Bücher interessiert. Das stimmt aber nur bedingt. Stefan Gemmel etwa schafft es, mit seinen Geschichten Hunderte Kinder auf einmal zu fesseln. Mitte Oktober besuchte der Autor die Kolumbus-Grundschule.
Er selbst habe als Kind ja auch nicht gelesen, bekennt er gleich mal ganz freimütig: „Zu Hause gab’s bloß Koch- und Telefonbücher. Da war niemand, der mir richtige Literatur schmackhaft gemacht hätte. Die ganze Familie waren alles Lesemuffel.“
Wie geht denn so was? Ein erfolgreicher Kinder- und Jugendbuchautor, der früher gar keine spannenden Geschichten geschmökert hat? Keine fünf Freunde? Keine drei ??? Nicht mal die Schatzinsel? „Na ja, es blieb zum Glück nicht dabei“, räumt Stefan Gemmel ein. Das Glück marschierte in Gestalt seiner Deutschlehrerin an.
Die knallte ihm eines Tages mitten im Unterricht einen Wälzer auf die Tischplatte, der nichts mit dem Lehrplan zu tun hatte. „Das war so ihre Art, sie schleppte immer schwere Taschen voller Nachschub für die Schüler mit und hatte wahrscheinlich Tausende Bücher zu Hause.“ Der junge Stefan begann sein erstes Buch höchst widerwillig – und verschlang es dann in einem Zug. Fortan ging’s nicht mehr ohne.
Vom Verächter zum Verehrer der bedruckten Seiten: Es ist seine eigene Geschichte, die Stefan Gemmel zu Beginn seiner Lese-Shows für Kinder und Jugendliche gern erzählt. Der 46-Jährige aus Lehmen an der Mosel gilt nicht nur als Vielschreiber – 40 Titel gehen bereits auf sein Konto – sondern auch als Vielvorleser. Im Schnitt schafft er 250 Lesungen pro Jahr. Außerdem tourt er durch Europa, besucht deutsche Schulen in Paris, Prag, Rom.
Seine Bestseller heißen „Geistergefährte“ oder „Im Zeichen der Zauberkugel“. Aber auch „Keine Angst, kleiner Hase“. Zielgruppe der Schmöker, Shows und Schreibwerkstätten sind junge Leute im Alter zwischen drei und 18 Jahren.
Einen Band der dreiteiligen „Schattengreifer“-Reihe hat er mit in die Kolumbus-Grundschule gebracht. Gespannt lauschen gut 250 Dritt- bis Sechsklässler der fantastischen Geschichte, in der ein Teenager auf Zeitreisende trifft. Gemmels Auftritt ist mitreißend, quirlig aber durchdacht. Die Sprache kommt beim jungen Publikum an.
Von Zeit zu Zeit hält er inne, stellt Verständnisfragen, bezieht die Kinder ins Geschehen ein. Und beantwortet selbst Fragen, wie: „Schreibst Du mit der Hand oder am Computer? Kannst Du mal ein Buch für mich schreiben? Wie lange brauchst Du für eine Geschichte?“ Der Autor erklärt und erzählt, zeigt Illustrationen, entfaltet Druckfahnen. Und vermittelt so auch noch ganz nebenbei, wie ein Buch entsteht.
560 Mädchen und Jungen lernen an der Kolumbus-Grundschule im Büchsenweg, mehr als 60 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Das Reinickendorfer Wohngebiet gilt als sozialer Brennpunkt. „Die meisten Kinder kommen aus bildungsfernen Familien“, sagt Schulleiterin Sylvia Betzing. „Gelesen wird zu Hause wenig. Deshalb haben wir einen Leseclub, nutzen den Kleinen Bücherbus der Bibliothek Reinickendorf und laden immer wieder Kinder- und Jugendbuchautoren zu uns ein.“
Für den Besuch von Stefan Gemmel hatte sich die Kolumbus-Grundschule schon vor drei Jahren beworben – erst jetzt sah der Terminkalender des vielfach ausgezeichneten und ausgebuchten Geschichtenschreibers die Berlinreise vor. Von den Reinickendorfer Schülern erntet Gemmel am Ende seiner Show tosenden Applaus. Vielleicht hat auch er beim einen oder anderen Kind die Begeisterung für Bücher geweckt. Wie einst seine Deutschlehrerin. bm
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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