Von der Bücherausleihe zum „dritten Ort“
Wie sich die Stadtbibliothek Reinickendorf verändert hat
Es wird heute noch immer gelesen, aber oft anders als in der Vergangenheit. Dieses Phänomen ist auch in der Stadtbibliothek Reinickendorf zu beobachten. Ihr Angebot besteht längst nicht mehr allein aus Büchern.
Die Stadtbibliothek besteht aus der Zentrale, der Humboldt-Bibliothek in Tegel, sowie den Stadtteilbibliotheken im Märkischen Viertel im Fontanehaus, in Frohnau, Reinickendorf-West sowie Reinickendorf-Ost. Dazu kommen noch zwei Bücherbusse.
Ende 2022 verfügte die Stadtbibliothek über 200 830 Medien. Mehr als drei Viertel (77,6 Prozent) sind Bücher, Zeitungen und Zeitschriften und knapp ein Viertel DVD’s und CD’s, Tonies, Spiele, sowie weiter interaktive Angebote bis hin zu Robotik.
Der Zugang zum Lesen müsse und werde heute vielfältiger vermittelt als früher, erklären Petra Lölsberg, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der Reinickendorfer Stadtbibliothek, und Ricarda Bolay, kommissarische Leiterin der Stadtteilbibliothek am Schäfersee an der Stargarder Straße, beziehungsweise aktuell am Ausweichstandort in der Markstraße. Die Räume sind dort größer als erwartet. Es scheint so, als würde jeder Quadratmeter irgendwie genutzt werden. Aber natürlich ist es ein Provisorium, zu dem die Nutzer erst finden und klingeln müssen, um ins Haus zu kommen. Zumindest aber ist die Bibliothek auch im Quartier Reinickendorf-Ost weiter präsent.
Als Einstieg zum Lesen könnten außer Bücher auch andere Medien dienen. Um das Interesse zu wecken, werden bereits Kitagruppen zum Besuch eingeladen. Speziell für Kinder haben alle Bibliotheken einen extra Bereich. Mit Schulklassen gibt es regelmäßige Projekte. Auch als Raum zum Hausaufgaben machen oder zum Recherchieren bieten sich die Bibliotheken an.
Eine Kooperation existiert mit dem Alpha-Bündnis. Diese Initiative kümmert sich um Menschen, die selbst im fortgeschrittenen Alter nicht oder kaum lesen können.
Treffpunkt, Arbeitsplatz, Veranstaltungsadresse, Möglichkeit gemeinsamen Vorlieben nachzugehen, Anlaufstelle, die ohne Vorbedingungen aufgesucht werden kann: diese Beschreibungen stehen unter anderen hinter dem Begriff „dritter Ort“, als den sich auch die Reinickendorfer Bibliotheken definieren.
Er umfasse verschiedene Facetten des Lebens, sei frei von ökonomischen Zwängen, könne unterschiedlich lange genutzt werden, erläutert Petra Lölsberg. So gibt es in der Bibliothek am Schäfersee etwa eine Nähgruppe, die sich regelmäßig trifft, und mittwochs einen Vorlesenachmittag für Kinder. Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen finden regelmäßig vor allem in der Bezirkszentralbibliothek in Tegel statt.
Dass das Potenzial des „dritten Orts“ noch längst nicht ausgeschöpft ist, wird gerade beim Ausweichquartier in der Markstraße deutlich. Neben der Bibliothek musste auch die Volkshochschule den Standort am Schäfersee verlassen und hat jetzt Ersatzräume unweit der Bücherei in der Markstraße. Aber erst jetzt komme es zu einem engeren Austausch, obwohl beide Einrichtungen zum Bereich Weiterbildung und Kultur gehörten, sagt Petra Lölsberg. Für manche Dozenten der Volkshochschule wäre anscheinend neu gewesen, welche Hilfe und Möglichkeiten die Büchereien für ihre Kurse bieten könnten.
2019 haben insgesamt 514 170 Menschen die fünf Standorte der Stadtbibliothek sowie die beiden Bücherbusse besucht. Die damalige Zahl sei die letzte aussagekräftige vor Beginn der Corona-Pandemie und den dadurch auch bedingten Schließungen gewesen, erklärt Petra Lölsberg. „Mittlerweile bewegen wir uns wieder auf den Zustand von 2019 zu, mit Ausnahme des Ausweichquartiers in der Markstraße.“ Die mehr als eine halbe Million Besucher bedeuten, dass rein statistisch gesehen jeder der ungefähr 266 000 Reinickendorferinnen und Reinickendorfer knapp zwei Mal im Jahr ein Angebot der Stadtbibliothek wahrgenommen hat.
Einen Grund, das Angebot der Bibliotheken nicht zu nutzen, gibt es für die beiden Frauen nicht. Soziale oder finanzielle Barrieren gebe es nicht. Der Bibliotheksausweis koste für Erwachsene zehn, für Studenten und Auszubildende fünf Euro und für Kinder und Schüler nichts. Gleiches gilt für Empfänger von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe.
Die Stadtbibliothek hat derzeit 52 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einige Stellen sind aktuell nicht besetzt, dazu gehört auch der Posten der Chefin oder des Chefs. Ab August soll es eine neue Leitung geben. Die Erwartungen und Herausforderungen, die inzwischen an eine Bibliothek gestellt werden, erfordern weiteres Personal, erklärt Petra Lölsberg. Zudem wünschen sich die Bibliothekarinnen fast nichts sehnlicher, als dass die Sanierung der Bibliothek am Schäfersee ohne Verzögerungen wie geplant im Jahr 2025 endet.
Mehr ausführliche Informationen zur Stadtbibliothek Reinickendorf gibt es auf www.berlin.de/stadtbibliothek-reinickendorf/.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.