Laufend im Einsatz: Straßenbegeher sorgen für sichere Verkehrswege im Bezirk
Reinickendorf. Gut 472 Kilometer misst das Straßennetz im Bezirk, verteilt auf 21 Haupt- und 49 Nebenstraßen. Wer sich darauf bewegt – im Auto, auf dem Fahrradsattel oder per pedes – sollte vor Gefahrenstellen sicher sein. Dafür sorgen so genannte Straßenbegeher.
Joggen darf er nicht. Das Fahrrad ist sowieso tabu. Eine Vorschrift legt sogar fest, wie schnell – oder besser langsam – er zu gehen hat: „Nicht viel mehr als 2,5 Kilometer pro Stunde sollen es sein“, sagt Stephan Witzke. Also läuft er in gemächlichem Tempo. Läuft und läuft und läuft. Fünf Stunden am Stück, Minimum. An fünf Tagen pro Woche.
Geübtes Auge
Stephan Witzke ist einer von vier Straßenbegehern, die fürs Reinickendorfer Straßenbauamt zusammen täglich fast 50 Kilometer kreuz und quer durch den Bezirk spazieren. Ihr Auftrag: Gefahrenstellen auf öffentlichem Straßenland aufzuspüren und dafür zu sorgen, dass sie zügig verschwinden. Schlaglöcher, Stolperfallen, Wurzelaufbrüche, abgeknickte Äste, fehlende Pflastersteine – nichts darf den geübten Augen entgehen. Weshalb die Berufswanderer auf Nummer sicher gehen und die jeweilige Strecke zweimal bewältigen. Etwa sechs Kilometer geht‘s auf der einen Straßenseite hin, auf der anderen zurück. Route plus Turnus sind festgelegt: Hauptstraßen – also Verkehrswege, über die mehr als 10 000 Autos am Tag rollen – sind alle zwei Wochen dran, Nebenstraßen einmal in acht Wochen.
An diesem kühlen Augustmorgen ist Stephan Witzke vom Werkshof am Eichborndamm gegenüber dem Rathaus gestartet. Dann ging‘s via Alt-Wittenau, Trift- und Gorkistraße bis nach Alt-Tegel, nun passiert er auf dem Rückweg die Straße Am Nordgraben. Büsche säumen hier die Straße, das Grün ragt viel zu weit in die Geh- und Radwege hinein.
Ärgernis im Visier
Stephan Witzke zückt seinen Notizblock. Drin sind vorgedruckte Schadenszettel mit zwei Durchschlägen – für die Akten und den Auftragnehmer. Der Straßenbegeher macht Kreuze zu Art und Form des Übels und trägt den Fundort ein. „Hier muss das Gartenamt mit einem Rückschnitt ran“, erklärt er. Und hat schon das nächste Ärgernis im Visier: Eine Platte im Gehweg gegenüber dem Humboldt-Krankenhaus hat sich leicht hochgestellt. „Wer nicht aufpasst, kann da schnell auf der Nase liegen“, weiß Witzke. Wieder kommt der Block zum Einsatz – diesmal geht der Durchschlag an eine von sechs Straßenbaufirmen, mit denen das Bezirksamt einen Vertrag fürs Ausbessern der Wege hat. Wenn der Straßenbegeher das „Eilt!“-Kästchen ankreuzt, müssen die Firmen noch am selben Tag ran. Und wenn ein Schlagloch besonders gefährlich aussieht, wird ein Unternehmen auch mal sofort vom Handy aus beordert.
Stephan Witzke hat nach einer Lehre im Straßenbau fast 15 Jahre in dem schweren Beruf geschuftet – dagegen sei das tägliche Laufen tatsächlich ein Spaziergang, sagt er.
Echter Traumjob
Außerdem mag er, dass Überraschungen nie ausbleiben. Einmal wäre er beinahe festgenommen worden. Ein aufmerksamer Anwohner hatte ihn beim Schauen und Notieren beobachtet und die Polizei alarmiert. Auch die Beamten hätten dann sehr genau wissen wollen, was er da treibe, erzählt Witzke amüsiert. War er da sauer? „Überhaupt nicht! Die Leute sollen ruhig wachsam sein, ich finde das gut.“ Nächste Anekdote: Einem älteren Herrn, der sehr ratlos und erschöpft vor seinem Auto stand, hat Witzke geholfen, bis alle vier Winterräder fest am Fahrzeug saßen. Und dann noch die Sommerreifen in den Keller geschleppt. Als Dankeschön gab’s einen Kaffee.
Seinen Traumjob nennt der Reinickendorfer Straßenbegeher den täglichen Fußmarsch, an den sich noch zwei, drei Stunden Schreibarbeit im Büro anschließen. Tauschen möchte er mit niemandem, sondern bis zur Rente weitermachen. „Freiwillig gehe ich nicht weg.“ Gut möglich also, dass Stephan Witzke noch bis zu 40 000 Kilometer durch Reinickendorf läuft. Und läuft und läuft und läuft. bm
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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