Nach 36 Jahren Mitgliedschaft
Nach der Entscheidung über die Kanzlerfrage: Dirk Steffel verlässt die CDU Reinickendorf
Die Querelen um die Kanzlerkandidatur innerhalb der CDU strahlen auf die Kreisverbände aus. Ein wichtiger Akteur der Bezirks-CDU war über Jahrzehnte Dirk Steffel. Er trat Ende April aus der Partei aus.
Der 51-Jährige amtierte zuletzt als stellvertretender Kreisvorsitzender und Vizechef der Unionsfraktion in der BVV. Außerdem stand er dem Ortsverband Tegel vor. 36 Jahre war Dirk Steffel Mitglied der Union, mehr als 20 Jahre gehörte er dem Bezirksparlament an. Außerdem ist er der Bruder des (noch) Reinickendorfer Bundestagsabgeordneten und Ex-Bezirkschefs Frank Steffel.
Sein Favorit war CSU-Chef Markus Söder
Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, sagte Dirk Steffel. Der letzte Anlass wären die Auseinandersetzungen um den Kanzlerkandidaten der Union gewesen. Dirk Steffel macht kein Geheimnis daraus, dass er Markus Söder für das bessere Zugpferd als Armin Laschet gehalten hätte. Hier im Einklang mit dem Berliner Landes- und dem Reinickendorfer Kreisverband sowie nach seiner Einschätzung weiten Teilen der Mitgliedschaft.
Wie aber gerade mit der Meinung der "Basis" im CDU-Bundesvorstand umgegangen wurde, habe ihn "fassungslos" gemacht. Ebenso wie das Verhalten der Reinickendorfer Bundestagskandidatin, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die, trotz eindeutigem Votum aus Berlin und dem Bezirk, nicht für Söder gestimmt habe.
Gerangel um Kanzlerkandidatur wohl Auslöser für Austritt
Die bundespolitischen Querelen haben das Fass jetzt anscheinend zum Überlaufen gebracht. Sie waren aber nicht der einzige Grund, was auch im Austrittsbrief von Dirk Steffel deutlich wird. Dort beklagte er eine "Klüngelpolitik", die sich im Kreisverband breit gemacht habe und die ihn ebenso ausgesondert habe, wie andere verdiente Parteifreunde. Namentlich nennt er dabei die noch amtierende Baustadträtin Katrin Schultze-Berndt. Außerdem deren Ehemann Jürn Jakob Schultze-Berndt und Tim-Chrstopher Zeelen, beide derzeit, aber nach den Wahlen im September nicht mehr Mitglied des Berliner Abgeordnetenhaus. Auch der aktuelle BVV-Fraktionsvorsitzende Tobias Siesmayer wird erwähnt, der auf der Liste der Kandidaten für das nächste Bezirksparlament nicht mehr zu finden ist. Dazu sein Bruder Frank, ab Herbst nur noch ehemaliges Mitglied des Bundestags.
Veränderte Machtverhältnisse im Kreisverband
Hinter dieser Personalrochade stehen veränderte Machtverhältnisse. Bürgermeister Frank Balzer wurde vor gut zwei Jahren Nachfolger von Frank Steffel als CDU-Kreisvorsitzender, nachdem der damals wegen Plagiatsvorwürfen bei seiner Doktorarbeit in die Schusslinie geraten war und auf eine Wiederwahl verzichtete. Danach sei der über sehr lange erfolgreiche "Reinickendorfer Weg" leider verlassen worden, beklagt Dirk Steffel. Der habe sich dadurch ausgezeichnet, Flügelkämpfe in der Partei zu vermeiden und Persönlichkeiten außerhalb der CDU einzubinden. Bestätigt worden sei das durch hervorragende Wahlergebnisse.
Steffel nicht auf BVV-Wahlliste der CDU
Dirk Steffels Demission hat auch Frank Balzer in seiner Funktion als Kreischef zu einer Stellungnahme herausgefordert. Diese Entscheidung sei nicht überraschend gekommen, nachdem sich für Steffel auf der CDU-Liste zur kommenden BVV-Wahl keine Mehrheit gefunden habe, erklärte er zunächst.
Dann verweist Balzer darauf, dass der Kreisverband sehr geschlossen eine neue Wahlliste aufgestellt habe, die ganz bewusst auch viele Frauen und jüngere Kandidaten berücksichtige. Das sei mit Ergebnissen von 75 bis 80 Prozent Zustimmung auf dem Kreisparteitag bestätigt worden.
Frank Balzer weist Vorwürfe Steffels zurück
Statt sich selbstkritisch mit den Gründen für die Nichtberücksichtigung auseinander zu setzen, habe sich das nun Ex-CDU-Mitglied offenbar entschieden "mit nicht haltbaren Vorwürfen - Stichwort Klüngelpolitik - seine Mitgliedschaft zu beenden", heißt es in der Mitteilung weiter. Als Kreisvorsitzender weise er diese Vorwürfe an einem klaren Mehrheitsbeschluss entschieden zurück. So Balzer, der, wie berichtet, nach der Wahl sein Bürgermeisteramt aufgibt. Er kandidiert als Nachfolger von Jürn Jakob Schultze-Berndt im Wahlkreis Frohnau, Hermsdorf, Freie Scholle für das Abgeordnetenhaus.
Steffel kritisiert fehlenden Kontakt der CDU zur Basis
Dirk Steffel erwähnte wiederum den Eintritt von ungewöhnlich vielen neuen Mitgliedern in die Reinickendorfer CDU in den vergangenen zwei Jahren. Und dass immer mehr Mandatsträger ihr Einkommen vor allem durch die Politik erzielen ist in seinen Augen ebenfalls eher beklagenswert. Schon weil dadurch die Gefahr drohe, dass der Kontakt zum normalen Leben, zur "Basis" verlorengehe.
Er verkörpert dazu das Gegenmodell. Jemand der Spaß an Politik hat, sie aber nicht als Lebensunterhalt braucht. Höhere Weihen als die eines, wenn auch nicht ganz unwichtigen, Bezirksverordneten, haben ihn anscheinend wirklich nie besonders interessiert. Auch wenn er immer mehr war, als nur ein "Parteisoldat". Eher, um im Bild zu bleiben "die Mutter der Kompanie" der CDU Reinickendorf. Und auch darüber hinaus.
Abrechnung im Abschiedsbrief
Etwa durch das "Tegeler Gespräch" bei dem regelmäßig bekannte Persönlichkeiten zum Talk geladen wurden. 63 solcher Veranstaltungen mit 115 Referenten und gesamt mehr als 10 000 Besuchern habe es in zwei Jahrzehnten gegeben, zählte Dirk Steffel in seinem Abschiedsbrief auf. Natürlich war auch dieses Format als Werbung für die Union gedacht. Aber neben deren Vertretern wie Jens Spahn oder Horst Seehofer war unter anderem auch der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zu Gast. Ebenso wie Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund. Oder Günter Schabowski, Ex-SED-Politbüromitglied und versehentlicher Maueröffner.
Steffel will zu Freien Wählern wechseln
Die Marke "Tegeler Gespräch" habe er sich schützen lassen, sagt Dirk Steffel. Damit könnte sie auch unter einem anderem Parteilabel wieder aufleben. Denn der jetzt ehemalige CDU-Mann will bei den Freien Wählern politisch weiter wirken. "Eine Kandidatur zu den Wahlen im September ist dabei eine mögliche Option", heißt es in seiner Austrittserklärung.
Der CDU-Kreisvorstand hat ihn nach seinem Austritt aufgefordert, sein BVV-Mandat mit sofortiger Wirkung an die Partei zurückzugeben. Denn er habe es ausschließlich über deren Liste erhalten.
Dem will er nicht nachkommen, sondern bis zum Ende der Wahlperiode als fraktionsloses Mitglied im Bezirksparlament vertreten sein. Und vielleicht, sinnierte Dirk Steffel, bleibe er da nicht allein.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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