Walter Momper berichtet über den Mauerfall
Zeitzeuge aus erster Hand
30 Jahre deutsche Einheit. Anlässlich des Jubiläums rücken viele der damals Beteiligten erneut in den Blick. Zu ihnen gehört auch Walter Momper.
Der Sozialdemokrat amtierte zwischen 1989 und 1991 nur knapp zwei Jahre als Regierender Bürgermeister von Berlin. Das aber in einer außergewöhnlichen Zeit. Als „Mann mit dem roten Schal“ wurde er damals weltbekannt. Und qua Position war er einer der Akteure.
Walter Momper kehrt
in seinen alten Wahlkreis zurück
Am 14. September kam Walter Momper zu einem Zeitzeugengespräch in den Gemeindesaal der katholischen Kirche St. Marien in der Klemkestraße. Eingeladen hatte ihn Bettina König, heutige SPD-Abgeordnete für Reinickendorf-Ost. Vor 30 Jahren vertrat Walter Momper diesen Wahlkreis. Er ist heute 75 Jahre alt. Die Ereignisse vor drei Jahrzehnten sind ihm aber immer noch sehr präsent. Und er hat nicht zum ersten Mal darüber berichtet.
Der Mauerfall. Auch der 9. November 1989 nahm an diesem Abend breiten Raum ein. Einschließlich seiner Vorgeschichte. Der damalige SED-Funktionär Günter Schabowski habe ihm schon Ende Oktober ein Reisegesetz angekündigt, das in Arbeit sei, erzählt Momper. Versprochen habe er auch, dass die Verantwortlichen im Westteil der Stadt rechtzeitig vor Inkrafttreten informiert werden. Was dann aber nicht passiert ist. Vielmehr hat, wie sehr schnell klar wurde, Schabowski die Mauer bei jener inzwischen legendären Pressekonferenz am Abend des 9. November eher unabsichtlich geöffnet.
Begrüßungsgeld, Straßenbau,
Telefonleitungen - es gab viel zu tun
Organisation im Detail. Es ging um viele praktische Fragen, denen sich der Momper-Senat während des knapp einjährigen Epochenwechsels ausgesetzt sah. Etwa den rund eine Million Grenzgängern, die bereits in den ersten Tagen nach der Maueröffnung nach West-Berlin kamen und damit verbunden das Auszahlen des Begrüßungsgeldes. Weitere Übergänge zwischen Ost und West wurden eingerichtet. Sehr schnell erfolgte eine Kontaktaufnahme von Behörden und öffentlichen Betrieben beider Stadthälften. Von der Feuerwehr bis zum Nahverkehr. Mehr Telefonleitungen wurden nötig, ebenso Straßenverbindungen. Das und noch vieles weitere wären Milliardenprojekte gewesen, erinnerte sich Walter Momper. Aber immerhin größtenteils von der Bundesregierung finanziert.
Die Haltung der Anderen. Als die Mauer fiel, hätten sich auch seine Kollegen aus den westdeutschen Bundesländern gefreut. Allerdings wären dort sehr schnell eigene Interessen deutlich geworden. Vor allem das Agieren des damals SPD-regierten Nordrhein-Westfalens scheint ihn noch heute zu erzürnen. Dessen Vertreter hätten sich in der DDR „wie eine Besatzungsmacht aufgespielt“. Erst recht galt das für die Hauptstadtdebatte, als an Rhein und Ruhr nicht nur die Genossen gegen Berlin mobil machten. Dass das abgewehrt werden konnte, sei der SED-Nachfolgepartei PDS zu verdanken, die mit ihren Stimmen die knappe Mehrheit gesichert habe, erinnerte der Gast. Sozusagen der wichtigste Beitrag der DDR-Genossen für die deutsche Einheit.
Gäste erzählten ihre Geschichten
Eigene Geschichten. 28 Personen konnten nach vorheriger Anmeldung und unter Corona-Auflagen an der Veranstaltung teilnehmen. Die Mehrzahl anscheinend SPD-Mitglieder oder zumindest Partei affin. Und fast alle in einem Alter, um bereits vor 30 Jahren jenseits der Volljährigkeit gewesen zu sein. Das sorgte für teils lange Ausführungen in eigener Sache. Ein Mann berichtete, dass er den Mauerfall in Paris mitbekommen habe, ein anderer von einem Bildungskongress der Sozialdemokratie in Bonn, bei dem die epochalen Veränderungen in Ostdeutschland aber nur am Rande eine Rolle gespielt hätten. Auch die Organisation der in langer Schlange vor dem Rathaus Reinickendorf auf das Begrüßungsgeld Wartenden wollte ein Teilnehmer noch einmal ins Gedächtnis rufen. Alles sicher interessante Geschichten. An diesem Abend schränkten sie aber vor allem die Zeit für weitere Antworten des Gastes ein. Denn, ebenfalls wegen Corona, war die Dauer der Momper-Visite begrenzt.
Das Resümee. „Die Deutschen seien jetzt das glücklichste Volk auf der Welt“. Diesen Satz habe er bereits am 10. November 1989 geäußert, erinnerte Walter Momper während seiner Ausführungen. Trotz mancher Probleme seither, an dieser Einschätzung habe sich für ihn bis heute nichts geändert.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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