Missbilligungsantrag scheitert
Bankgate, Vorwürfe und Wahlkampfverdacht: Reinikendorf diskutiert über orangefarbene Bank
Der Missbilligungsantrag gegen das Bezirksamt im Zusammenhang mit dem Aufstellen einer Sitzbank gegen Gewalt an Frauen und Mädchen wurde in der BVV am 8. Januar abgelehnt: 22 Bezirksverordnete stimmten für, 29 gegen den Antrag, bei einer Enthaltung. Zuvor hatte es eine heftige und teilweise sehr persönliche Debatte gegeben. Sie stand auch unter jeweils der Gegenseite vorgeworfenen Wahlkampfverdacht.
Das Bezirksamt hatte am 11. Dezember eine orangefarbene Bank unweit des Rathauses aufstellen lassen. Dies sei im Rahmen der Kampagne „Orange the World“, die auf die weltweite Gewalt gegen Frauen und Mädchen hinweist, geschehen. Das Anliegen ist innerhalb der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) weitgehend unumstritten. Ärger gab es aber wegen der Vorgehensweise. Denn bereits im November 2023 hatte die SPD-Fraktion einen Antrag zum Aufstellen einer damals roten Bank eingebracht. Er war mit der Mehrheit von CDU und AfD abgelehnt worden. Begründet wurde das damals vor allem mit fehlender Finanzierung. Deshalb hatte der SPD-Bezirksverordnete Stefan Valentin im Nachgang Geld für das Vorhaben gesammelt und die nötigen Mittel sogar für zwei Bänke eingeworben. Das Umsetzen scheiterte aber weiter, diesmal am Hinweis, es gebe keinen geeigneten Platz im öffentlichen Raum.
Umso größer war das Erstaunen bei den ursprünglichen Initiatoren, als am 11. Dezember eine jetzt orangefarbene Bank eingeweiht wurde. Dass die Bezirksverordneten dazu auch keine offizielle Einladung erhalten hatten, erzürnte ebenfalls. Die Chance, gegen das Gewaltproblem ein gemeinsames Zeichen zu setzen, habe das von der CDU dominierte Bezirksamt vertan, vielmehr sei der Eindruck entstanden, es sei „auf dem Rücken der betroffenen Frauen“ angeeignet worden, erklärte der FDP-Bezirksverordnete David Jahn, dessen Gruppe die Missbilligung initiiert hatte.
Dass die Bank nach ursprünglicher Ablehnung doch noch installiert wurde, begründete Stadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU) damit, dass sich, anders als 2023, im Fundus des Grünflächenamtes noch ein solches Sitzmöbel befunden habe, das durch eine Dienstkraft hergerichtet wurde. Auf den Aufstellungstermin wäre mit einer Pressemitteilung hingewiesen worden, er habe aber aufgrund der Witterung und der Frage der Fertigstellung erst kurzfristig festgestanden. Teilgenommen hätten daran „zwei Drittel des Bezirksamtsmitglieder“, außer den drei Vertreterinnen und Vertreter der CDU, auch die Stadträtin der Grünen, ebenso wie die Gleichstellungsbeauftragte und weitere Beschäftigte der Verwaltung. Ansonsten stellte Julia Schrod-Thiel vor allem den Kampf gegen Frauengewalt und die Bedeutung von „Orange the World“ in den Vordergrund.
Ihre auch von Zwischenrufen begleitete Rede scheint den Unmut noch weiter angefacht zu haben. Die Einlassungen hätten überhaupt nichts besser gemacht, erklärte die fraktionslose Kai Bartosch. „Frau Schrod-Thiel hat den Fehler gemacht, ans Pult zu gehen und die Sache aus dem Zusammenhang zu reißen“, sagte Stefan Valentin. Sie habe „die Frechheit besessen, nicht mal uns als Bezirksverordnete zu informieren“. Das sei „wirklich maßlos“. „Wenn wir es als BVV nicht schaffen, uns auf eine Symbolik zu einigen, möchte ich mir eine Symbolik nicht vorstellen“, erklärte die Grüne-Fraktionsvorsitzende Günes Keskin. Sie stellte, ähnlich wie auch ihr SPD-Kollege Marco Käber, die Frage, ob die Stadträtin hier ihre „eigene Agenda“ betrieben habe oder ob es eine Kehrtwende im Verhalten der CDU gegeben habe. Spätestens bei solchen Beiträgen schimmerte dann Wahlkampf-Rhetorik durch. Auch Aussagen wie, die CDU wolle durch ihren jetzt entdeckten Einsatz für Frauen, gegen das „Frauenproblem“ ihres Kanzlerkandidaten Friedrich Merz angehen, gingen in diese Richtung. Das Thema eigne sich nicht für parteitaktische Auseinandersetzungen, erklärte der Linke-Verordnete Felix Lederle. Deshalb werde er dem Antrag nicht zustimmen.
Den hitzigen Höhepunkt, aber gleichzeitig Anzeichen für eine Kooperationsbereitschaft gab es mit dem Auftritt des CDU-Fraktionsvorsitzenden Marvin Schulz. Die Grünen hätten seiner Partei Frauenverachtung unterstellt. Dabei wären sie selbst gerade im Nachbarbezirk Pankow mit einem „Sexismus Skandal“ konfrontiert. Der FDP warf er vor, ihre Missbilligungsinitiative sei „vielleicht eine Initiative zur Wahrnehmbarkeit in der Reinickendorfer Kommunalpolitik“. Und dass die Liberalen gleich das gesamte Bezirksamt missbilligen wollen, hielt Marvin Schulz ebenfalls eher für befremdlich. Aussagen, die wiederum David Jahn „traurig zurücklassen. Mir Wahlkampf zu unterstellen, verkennt den Ernst der Debatte“.
Am Ende seiner Rede zeigte sich Marvin Schulz offen, nicht nur über das Thema, sondern auch über die Zukunft der beiden weiteren Anti-Gewalt-Bänke zu sprechen. Dies soll im zuständigen Ausschuss geschehen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.