Ausgabenorgien und falsche Schwerpunkte
BVV Reinickendorf beschließt Haushaltsentwurf
Haushaltsentscheidungen haben in jedem Bezirk ihre eigene Dynamik. In Spandau dauerte die Debatte vor dem Beschluss eine knappe Stunde und der Etatentwurf fand schließlich eine große Mehrheit. In Reinickendorf wurde dagegen rund vier Stunden diskutiert und der Beschluss war nicht einhellig.
Für den Doppelhaushalt der Jahre 2024 und 2025 mit jeweils einem Volumen von rund 800 Millionen Euro stimmten in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 13. September die Fraktionen von CDU und SPD, außerdem die fraktionslose Laila Mirzo. Die Grünen, die FDP-Gruppe und die beiden Einzelverordneten Felix Lederle (Linke) und Kai Bartosch (fraktionslos) lehnten den Etatentwurf hingegen ab. Die AfD enthielt sich.
96 Stellen zusätzlich in der Verwaltung geplant
In der Debatte und bei der Abstimmung wurde deutlich, dass die Beratungen nicht immer einfach waren. Bürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) wollte davon jedoch öffentlich nichts wissen. Der Etat für Reinickendorf sei zwar Zwängen unterworfen, im Vergleich zu anderen Bezirken stehen wir „zurückhaltend formuliert sehr gut da“. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen könnten die Angebote und Dienstleistungen des Bezirks aufrechterhalten und neue Akzente gesetzt werden. Die Bürgermeisterin hob besonders den Zuwachs von geplant 96 Stellen in der Verwaltung hervor. Zu ihnen gehören ein oder eine Beauftragte für das Ehrenamt („eine Herzensangelegenheit für mich“) sowie eine oder ein Einsamkeitsbeauftragte(r). Mit dieser Position ist Reinickendorf bundesweiter Vorreiter. Einsamkeit, so die Ratsnusschefin, „ist eine der großen sozialen Fragen unserer Zeit“.
Veranstaltungsetat steigt um ein Vielfaches
Vorschläge anderer Fraktionen seien von den Christdemokraten zunächst abgelehnt, und erst nach signalisierter Zustimmung zum Haushalt, das eine oder andere bewilligt worden, lautete ein Vorwurf von. Beklagt wurde auch eine falsche Schwerpunktsetzung. Vor allem im Bereich der Bürgermeisterin wäre massiv zugelegt worden, kritisierte der Fraktionsvorsitzende der Grünen Hinrich Westerkamp. Der Veranstaltungsetat steige von bislang 11 000 auf künftig mehr als 93 000 Euro. Kein Geld gebe es dafür für mehr Demokratieförderung durch Schülerinnen- und Schülerhaushalte, konkrete Maßnahmen zum Hitzeschutz oder ein Housing First, beziehungsweise Tiny House-Projekt zum Verringern der Obdachlosigkeit in Reinickendorf.
Das zusätzliche Personal soll die Beschäftigten in der Verwaltung entlasten und der Bevölkerung signalisieren, dass das Bezirksamt für sie da sei. Von einer „Haltekultur“ und einer „Willkommenskultur“ sprach Emine Demirbüken-Wegner in diesem Zusammenhang. Stellenzuwächse gebe es in vielen Abteilungen, unabhängig vom Parteibuch der jeweiligen Stadträtin oder Stadtrat, betonten sowohl die Bürgermeisterin als auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Marvin Schulz. Es habe das Motto „Voneinander, Miteinander, Füreinander“ gegolten wie beim Tag der offenen Tür im Rathaus am 23. September. Diese Einschätzung war allerdings nicht allgemeiner Konsens. Vor allem Grüne und FDP sahen eher ein Gegeneinander.
„Nicht notwendige Ausgabenorgien“
David Jahn (FDP) sprach von „nicht notwendigen Ausgabenorgien“ zulasten von beispielsweise Kinder- und Jugendprojekten, dem Wohnungsbau oder der Verkehrspolitik. Der SPD wurde unterstellt, sie habe sich das Ja zum Haushalt durch insgesamt vier weitere Stellen im Sozial- und Jugendbereich abhandeln lassen. Die Kritik wies der jugendpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Stefan Valentin, zurück. Die Stellen seien nicht für die SPD, sondern für die Verwaltung und die Bürger herausgeholt worden.
Dass es allerdings auch bei den Sozialdemokraten keine durchgehende Begeisterung über den Haushaltsplan gab, wurde in einigen Redebeiträgen und bei Abstimmungen über weitere Anträge zu zusätzlichen Mitteln für bestimmte Einrichtungen oder Vorhaben deutlich. Um weitere Unterstützung für das Projekt Mitternachtssport im Haushalt finanziell abzusichern, was die CDU ablehnte, brauchte es die Stimmen der anderen Fraktionen, Gruppe und Einzelverordneten, einschließlich der AfD.
„Demokratische Mitte schwer beschädigt“
Vor einem solchen Abstimmungsverhalten hatte die CDU bereits in der Debatte gewarnt und auf die „Brandmauer“ gegen die Rechtsaußen verwiesen. „SPD, Grüne und FDP haben mit ihrer AfD-Kooperation die demokratische Mitte des Bezirks schwer beschädigt“, stellte Sylvia Schmidt, die haushaltspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion fest. Dies sei ein „hoher Preis für weitere Ausgaben in Höhe von 100 000 Euro, die nun noch in den Haushalt hineingedrückt wurden“. Andere Anträge wurden sowohl von der CDU als auch von der AfD abgelehnt.
In Kraft treten wird auch der Reinickendorfer Doppelhaushalt erst, wenn das Abgeordnetenhaus den Berliner Haushalt beschlossen hat.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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