Bildungsangebote in Gefahr?
Das Bezirksamt Reinickendorf schließt keine neuen Verträge mit Honorarkräften ab
Ist der Fortbestand der Volkshochschule Reinickendorf (VHS) bedroht? Dies lässt zumindest eine Pressemitteilung des Abgeordneten Sven Meyer und des Bezirksverordneten Sascha Rudloff (beide SPD) unter der Überschrift „Beliebte Bildungsangebot vor dem Aus: Entscheidung des Bezirksamts bedroht Fortbestand der VHS Reinickendorf“ befürchten.
Hintergrund ist, dass Reinickendorf derzeit keine neuen Verträge mit Honorarkräften der Volkshochschule, der Musikschule und der Jugendkunstschule abschließt. Anlass ist ein Urteil des Bundessozialgerichts vom Juni 2022 zum Thema Scheinselbstständigkeit bei Dozentinnen und Dozenten, die auf Honorarbasis tätig sind. Seit dem Richterspruch, genannt „Herrenberg-Urteil“ werden hohe Nachforderungen an die Deutsche Rentenversicherung für diesen Personenkreis befürchtet. Unklar scheint auch noch immer, wie sie rechtssicher weiterbeschäftigt werden können.
Der Berliner Senat arbeite aktuell an einer Klärung der Situation, damit die Volkshochschulen und Musikschulen ihr Angebot weiter aufrechterhalten können, erklärten Sven Meyer und Sascha Rudloff. Die zuständigen Senatsverwaltungen hätten schriftlich zugesichert, dass sie in Absprache mit der Deutschen Rentenversicherung stehen, um eine tragfähige Lösung zu erarbeiten. Die Bezirke seien aufgefordert worden, sich vor ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stellen und damit die Handlungsfähigkeit in den betroffenen Einrichtungen zu gewährleisten. Dieser „Rückendeckung“ durch den Senat seien nahezu alle Bezirke gefolgt – außer Reinickendorf. Die Sozialdemokraten beziehen sich dabei auf Aussagen von Schulstaatssekretär Dr. Torsten Kühne (CDU) bei einer Ausschusssitzung des Abgeordnetenhauses Mitte Mai.
Reinickendorf dürfe durch seinen „Sonderweg“ das außerschulische Bildungsangebot auf keinen Fall schädigen. Aufgrund des bezirklichen Vorgehens stünde es vor dem Aus, konstatierten Sven Meyer und Sascha Rudloff.
Das Bezirksamt reagierte erklärte, dass es den Senat in der Pflicht sehe, zeitnah rechtssichere Rahmenbedingungen zu treffen. Nach dem Urteil hätten die Bezirke das Land Berlin mehrfach aufgefordert, „eine Klärung herbeizuführen“. Es sei zwar gut und richtig, dass die zuständigen Senatsverwaltungen auf die Deutsche Rentenversicherung zugegangen seien, sagte Bürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU). „Wir als Bezirk müssen nun auf das Ende der Gespräche warten“. Auf rein mündliche Zusagen möchte sich Reinickendorf offenbar nicht verlassen. Um neue Verträge abschließen zu können, müsse der Senat zuvor Rechtssicherheit herstellen. Ohne sie würden „erhebliche Risiken in Bezug auf die Strafbarkeit und Regresspflicht von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Honorarverträge unterschreiben gesehen“. Das eigene Vorgehen wertet der Bezirk auch als „Schutz im Rahmen der Fürsorgepflicht“. Bisherige Honorarverträge hätten zudem weiter Bestand.
Reinickendorf steht mit dieser Einschätzung, wie erwähnt, allein unter den Bezirken. Deutlich wurde das beispielsweise am 29. Mai bei der BVV im Nachbarbezirk Spandau. Auch dort war das „Herrenberg-Urteil“ Thema einer mündlichen Anfrage der Fraktion Die Linke. Spandau bewerte die Lage anders als Reinickendorf, hieß es in der Antwort von Bürgermeister Frank Bewig (CDU). Sein Bezirk folge der Bitte des Senats nach einem Weiterbetrieb von Kultur- und Bildungsveranstaltungen. Dies geschehe auch deshalb, weil bereits Gespräche zwischen der Landesregierung und der Deutschen Rentenversicherung mit dem Ziel einer Rechtssicherheit liefen. Laut seinen Informationen sollen sie bis zur Sommerpause abgeschlossen sein, so Frank Bewig. Vor diesem Hintergrund die Arbeit der Volkshochschule und der Musikschule zu gefährden, „wäre ein Desaster“.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.