Thüringer Verhältnisse in Reinickendorf?
Haushaltsbeschlüsse in der BVV erhielten erst mit Stimmen der AfD eine Mehrheit

Die Doppelmoral im Umgang mit der AfD schade der politischen Kultur, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Marvin Schulz. | Foto:  CDU Reinickendorf
  • Die Doppelmoral im Umgang mit der AfD schade der politischen Kultur, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Marvin Schulz.
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Am 14. September hat im Landtag von Thüringen ein Antrag der CDU-Fraktion zum Absenken der Grundsteuer eine Mehrheit gefunden, weil auch die in diesem Bundesland besonders rechtsradikale AfD dem Antrag zustimmte. Seither wird von vielen Seiten die vor allem durch die CDU eingerissene „Brandmauer“ nach rechtsaußen beklagt.

Am Abend vor dem Thüringer Ereignis hat es in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Reinickendorf während der Entscheidungen zum künftigen Haushaltsplan ein ähnliches Abstimmungsverhalten gegeben. Eine Mehrheit aus SPD und Grünen-Fraktion, FDP-Gruppe, Vertreter der Linken, eine Einzelverordnete – und die AfD-Fraktion setzten weitere Mittel für verschiedene Anliegen gegen die CDU durch wie beispielsweise für das Projekt Mitternachtssport. In der Debatte hatte die CDU-Bezirksverordnete Sylvia Schmidt die politischen Mitbewerber im demokratischen Spektrum vor einem Schleifen der Brandmauer gewarnt. Nach der Thüringen-Debatte legte der CDU-Fraktionsvorsitzende Marvin Schulz noch einmal nach. Er kritisierte vor allem die „Doppelmoral“.

Es gehe ihm ausdrücklich nicht darum, die Bezirkspolitiker von SPD, Grünen und FDP zu beschimpfen, weil sie mit der AfD eine Mehrheit gebildet hätten, sagte Schulz. „Es wäre unsinnig, von den linken Parteien zu erwarten, sich gegen ihre eigenen Anträge zu stellen, nur weil eine andere Partei möglicherweise Zustimmung signalisieren könnte“. Wer aber, wie etwa der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, die CDU für Thüringen lautstark kritisiere, während die eigenen Leute in Reinickendorf das Gleiche machen, „schadet der politischen Kultur in unserem Land“.

David Jahn sitzt für die FDP in der BVV. Die Liberalen waren sowohl in Thüringen, als auch in Reinickendorf bei den Unterstützern von Anträgen, denen auch die AfD zugestimmt hat. Einen Dammbruch sieht er darin nicht. Es bleibe weiter dabei, dass Anliegen der Rechtsaußen nicht zugestimmt werde. Eigene Initiativen könnten aber nicht deshalb ausbleiben, nur weil vielleicht auch die AfD sie mittrage. Dies würde einen Schaden für den Parlamentsbetrieb und letztendlich die Demokratie bedeuten. Es habe vor oder während der Haushaltsentscheidungen auch keinerlei Verhandlungen oder gar Absprachen mit dieser Partei gegeben. Die Aufregung über die Ereignisse in Thüringen hält David Jahn ebenfalls nicht für nachvollziehbar. Dort habe die AfD auch schon Anträgen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung zur Mehrheit verholfen.

Ähnlich wie in Thüringen gibt es auch in der BVV Reinickendorf spezielle Mehrheitsverhältnisse, wenngleich ebenfalls ganz anders gelagert. Seit der Wahlwiederholung stellt die CDU 25 der 55 Bezirksverordneten, also nur drei weniger als die absolute Mehrheit. Gegen die Union kann nur etwas durchgesetzt werden, wenn sich alle anderen zusammenschließen, einschließlich der fünf Stimmen der AfD-Fraktion, plus einer Fraktionslosen, die auf ihrer Liste kandidiert hatte. Es hat in der BVV-Sitzung vom 13. September auch Anträge gegeben, die mit den Stimmen der CDU und der Rechtsaußenpartei verabschiedet wurden. Die Stimmen der Rechtsaußenpartei seien aber nicht notwendig gewesen, betonte Marvin Schulz.

Und was folgt daraus? „Wir Politiker sollten endlich anfangen, die Parteitaktik und Empörungsrhetorik sein zu lassen“, erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende. Es gebe unzählige Probleme, „um die wir uns mit ganzer Kraft kümmern müssen“. Der Appell schließe auch seine eigene Partei mit ein. David Jahn sieht das ähnlich. Und natürlich stehe die Brandmauer weiter.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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