Im Visier der Kameras: Diskussion zur Videoüberwachung
Erst war es ein Koffer, dann eine Erkältung, die Innensenator Andreas Geisel (SPD) zum Thema Sicherheit auf dem Franz-Neumann-Platz die Sprache verschlug.
Um die Sicherheit auf dem Franz-Neumann-Platz sollte es schon am 12. Januar gehen. Doch ein herrenloser Koffer, entdeckt vor dem Café „Maya & Callas“, verhinderte an diesem Tag eine Diskussion mit Innensenator Andreas Geisel (SPD). Als sich der Koffer als harmlos herausstellte, war es für das Gespräch schon zu spät. Doch die SPD-Abgeordnete Bettina König ließ nicht locker: Für den 23. März setzte sie das Thema wieder auf die Tagesordnung, wieder im selben Café an der Markstraße 5 mit direktem Blick zum Franz-Neumann-Platz. Und wieder musste der Senator passen: Eine Erkältung hatte ihm im Wortsinn die Sprache verschlagen.
Doch weil das Thema als brisant gilt, war der Fraktionsvorsitzende der SPD im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, für Geisel in die Bresche gesprungen. Umso überraschender: Wenige Anwohner teilten sich die Zuhörerrunde mit Aktivisten gegen Videoüberwachung. Denn auch um die sollte es gehen, als eventuelles Hilfsmittel gegen Kriminalität. Dabei stellte die Abgeordnete König fest: „In meinen Sprechstunden äußern Bürger immer wieder Sorgen vor der Kriminalität in diesem Kiez.“
Rauschgifthandel sucht sich seinen Platz
Immerhin: Polizeihauptkommissar Jörg Schroeder, als Dienstgruppenleiter auch für den Franz-Neumann-Platz zuständig, hatte eine handfeste Information. 87 Personen haben seine Leute in diesem Jahr festgestellt, die vor allem wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz auffielen. Wenn die Polizei hier eingreift, ist das aber noch nicht die Lösung des Problems. Der Rauschgifthandel wird nur verdrängt.
So hatte die Diskussion schnell ein grundsätzliches Berliner Thema: Ist die Videoüberwachung, die ein Volksbegehren um den ehemaligen Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) und den ehemaligen Innensenator Thomas Heilmann (CDU) fordert, sinnvoll? Die erste Stufe von 20.000 Unterschriften wurde bereits genommen.
"Gesetzentwurf voller juristischer Patzer"
Nein, sagt Prof. Dr. Frederik Roggan, Strafrechtsprofessor an der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg und stellvertretender Bundesvorsitzender der Humanistischen Union, schon weil der Gesetzentwurf der Initiative voller juristischer Patzer sei. Zum Teil schon, sagt SPD-Fraktionsschef Raed Saleh. Auch er hält das Anliegen des Volksbegehrens für überzogen, will aber konkrete, Anlass bezogene Überwachung zulassen. Und er verweist auf den „U-Bahn-Treter“ auf der Linie 7, der ohne jeden Anlass eine Frau in Neukölln eine Treppe hinunterstürzte, sie dabei schwer verletzte, und schließlich nach der Veröffentlichung von Video-Aufnahmen und intensiver Fahndung gestellt werden konnte. Unterstützung bekommt Saleh dafür von Anwohnern: „Wer Opfer einer solchen Straftat wird, wird erleichtert sein, wenn der Täter gefasst und bestraft wird.“
Für Saleh ist die Frage der Sicherheit auch eine Frage der sozialen Teilhabe: „Ich gehe nachts auch über den Alexanderplatz, meine Mutter aber nicht.“
Steve Feldmann von der Gewerkschaft der Polizei stellt die Ansicht in Frage, dass Videoüberwachung zwar bei der Ermittlung von Tätern helfe, diese aber nicht der Vorbeugung diene: „Da gibt es jetzt Gutachten, die in diese Richtung weisen.“ Videoüberwachung könne eben doch Straftäter abschrecken. Moritz Koch von der Initiative Endstation, die Videoüberwachung generell kritisch sieht, brachte vor, dass die Überwachung die Ursachen von Kriminalität grundsätzlich nicht angehe und dem "racial profiling", der Verdächtigung von Menschen aufgrund ihres Aussehens, Vorschub leiste.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.