Wohnheim für Obdachlose eingeweiht
Dieter hat keine Scheu vor Fremden, die plötzlich in seinem Zimmer stehen. Höflich beantwortet er die Fragen, während der Fernseher munter weiter summt. "Seit zehn Jahren bin ich schon hier", sagt er. Mit "hier" meint er Zimmer 125 im Wohnheim für Obdachlose an der Kopenhagener Straße. Dorthin kam er nach der Scheidung von seiner Frau. Auf der Straße hat er nie gelebt, ging gleich ins Wohnheim, als er keine Wohnung fand. 69 Jahre alt ist Dieter heute und allein. Die zwei erwachsenen Kinder besuchen ihn nicht. Er weiß auch gar nicht, wo sie sind, sagt Dieter.
Einige Türen weiter wohnt Uwe, 54 Jahre alt. Vor zwei Jahren verlor der Maschinenbaumechaniker erst seine Arbeit, dann die Wohnung. Er lebte auf der Straße, bevor er ins Wohnheim zog. Dort will er bleiben, bis er ein eigenes Zuhause gefunden hat. Dieter und Uwe, das sind nur zwei der 115 Männer und Frauen, die im Wohnheim leben. Sie alle sind aus ähnlichen Gründen hier, aber jeder hat eine andere Geschichte.
Eine, die sie alle kennt, ist Susanne Grille. Die Leiterin und ihre Mitarbeiterin Christine Lox sind die guten Seelen des Hauses. Mit Fingerspitzengefühl, Empathie und Geduld kümmern sie sich um die Bewohner, teilen ihre Sorgen, helfen bei Wohnungssuche und Ämtergängen. "Der Jüngste hier ist 19 Jahre alt, der Älteste 75", erzählt Susanne Grille. Die meisten sind Männer, einige bleiben für immer. Auch das gehört zum Konzept der Berliner Stadtmission. Keiner wird rausgeworfen, jeder ist willkommen in der Not.
Seit Januar dieses Jahres ist die Berliner Stadtmission die neue Trägerin des Wohnheimes. Zuvor war es seit 1989 in der Trägerschaft des Bezirksamtes. Das hätte es auch gern behalten, sagte Sozialstadtrat Andreas Höhne (SPD), musste es aber aus haushalterischen Gründen abgegeben. Sechsstellig sei die Summe gewesen, die der Bezirk jedes Jahr für das Wohnheim zuschießen musste, weil das Budget vom Senat nicht ausreichte. 2009 begann der Bezirk deshalb nach einem neuen Träger zu suchen. Das Konzept der Stadtmission, die sich im Frühjahr 2010 bewarb, setzte sich durch und überzeugte auch die Bezirksverordneten, die dem Trägerwechsel zustimmten. Bis der Kaufvertrag mit dem Liegenschaftsfonds Berlin als Eigentümer des Grundstücks unter Dach und Fach war, verging dann noch einige Zeit. Danach stand eine gründliche Renovierung des Wohnheims zu einem hellen, freundlichen Haus an.
Jeder Bewohner hat ein Einzelzimmer, fast alle mit Balkon. Gemeinsame Duschen und Badezimmer, Ess- und Wohninseln, Gemeinschaftsräume, Küchen, ein Veranstaltungssaal, Gruppen- und Werkräume sowie ein großer Garten gehören zum Haus. Wohnen können dort Männer und Frauen, die schon lange kein Dach mehr über dem Kopf haben oder akut von Obdachlosigkeit betroffen sind. Viele können trotz Integrationsversuchen nicht eigenständig leben. Andere sind gesundheitlich eingeschränkt, so wie Dieter, der im Rollstuhl sitzt. Fast allen gemeinsam ist, dass der Kontakt zur Familie schon lange abgebrochen ist.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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