Betriebsfußball im Fuchsbezirk: Titelsammler, homogene Teams und viele Gegentore
Reinickendorf. Der Verband für Betriebsfußball (VBF) besteht seit 1953. Reinickendorfer Mannschaften spielen seitdem eine große Rolle.
Gegründet wurde der Verband vor über sechs Jahrzehnten von einer Handvoll begeisterter Fußballer. Der Grund war einfach: montags bis sonnabends wurde gearbeitet, sonntags wurde sich um die Familie gekümmert. Um den Sportplatz sollte ein großer Bogen gemacht werden. Ihr Hobby wollten die Männer jedoch nicht aufgeben. Es begann die Suche nach einer Alternative. Schnell stand fest, dass es viele Leidensgenossen gibt. Nach und nach gründeten sich, mit alliierter Erlaubnis, die ersten Betriebssportgemeinschaften (BSGen). Rasch entstanden eine Liga und ein dazugehöriger Verband. Dieser ist bis heute deutschlandweit einmalig. Gibt es doch außerhalb Berlins keinen organisierten Spielbetrieb für Betriebsmannschaften. Einen echten Boom erlebte der Betriebsfußball in den 70er Jahren. Weit über 10.000 aktive Kicker in mehr als 500 BSGen gingen ihrem Hobby im Westteil der geteilten Stadt nach. Damals wurde der Betriebssport so ernst genommen, dass Unternehmen Spieler nur einstellten, damit diese für ihre Firma auflaufen konnten. Mittlerweile fungieren die Firmen in den meisten Fällen nur noch als Namensgeber. Geführt werden die Teams wie echte Sportvereine. Die wenigsten Mitglieder sind auch tatsächlich bei den Namensgebern beschäftigt.
Der erhoffte Mitgliederzuwachs in den Nachwendejahren durch Ostberliner Betriebe bleib aus. Wurden doch viele Betriebe damals einfach abgewickelt oder hatten kein Interesse am Betriebssport.
Heute geht der Fußball im Betrieb etwas gemächlicher zu. Gekickt wird noch immer. Aber auf viel kleinerer Bühne. Der Verband hat aktuell rund 2300 Aktive in 80 Betriebssportgemeinschaften, verteilt auf die gesamte Stadt. Die wohl bekannteste Mannschaft ist die BSG Viessmann, heute Aida Autohaus. In den neunziger Jahren stellten sie fast ein Jahrzehnt lang den Meister und Pokalsieger. Internationalen Glanz brachte Abou Nije, seinerzeit Nationalspieler Gambias und Teilnehmer beim Afrika-Cup und langjähriger Spieler bei Viessmann. Weitere bekannte Persönlichkeiten sind Ex-Hertha-Profi Marko Rehmer und Skisprunglegende Sven Hannawald. Beide spielten kurzzeitig für die nicht mehr existente BSG Rexam.
Da der Betriebsfußball ein lokales Phänomen ist, fehlt der bundesweite Vergleich. In Liga und Pokal. Um Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen, sind Spieler einer Auswahlmannschaft, bestehend aus den besten Spielern der Liga, gegen Stadtmannschaften anderer Städte geplant. Aber das ist Zukunftsmusik.
Das Bezirksamt als Titelsammler im Betriebsfußball
Reinickendorfer Betriebssportmannschaften entpuppen sich als wahre Titelsammler. Die Ü60-Kleinfeldmannschaft des Bezirksamtes Reinickendorf ist seit mehreren Jahren ununterbrochen Meister und Pokalsieger geworden. Damit nicht genug, wird ein Mannschaftskollege künftig Namenspatron des Pokals: Frank Zemke. Anlässlich seines 70. Geburtstages schlug die Mannschaft ihn als Namensgeber vor. Er nahm das gern an. So heißt der Pokal künftig Frank-Zemke-Pokal und der Jubilar sponsort dies mit 300 Euro jährlich. Davon werden Medaillen, Bälle und die Trophäe für das Endspiel gekauft. Auch Bürgermeister Frank Balzer (CDU) kickte bis vor Kurzem für das Team des Bezirksamtes.
Erst seit 2012 Mitglied der Betriebssportfamilie ist das Team P&H Logistik mit Firmensitz an der Lübarser Straße. Innerhalb von zwei Jahren nach der Gründung gelang dem Team um Kapitän Kevin Reuschel der Aufstieg in die höchste Spielklasse, der Verbandsliga. Seitdem spricht die Mannschaft um jeden Titel ein gewichtiges Wort mit. Bisheriger Höhepunkt: die Meisterschaft 2017. Auch dieses Jahr gilt die homogene Truppe als heißer Titelkandidat. Für Kapitän Reuschel keine Überraschung: "Die Jungs spielen auch im Verein zusammen. Und kennen sich auch privat. Das ist gut für das Klima innerhalb der Mannschaft."
Nur nicht Letzter werden
Mit der BSG Wapo Nord 73 beteiligt sich ein Dinosaurier des Betriebsfußballs weiterhin am Spielbetrieb. Früher von Wachpolizisten gegründet, kicken heute auch Spieler aus anderen Berufsgruppen mit. Neben einer Herren-Großfeldmannschaft (Verbandsliga) gibt es noch eine Ü50-Kleinfeldtruppe. Diese spielt in der Landesliga. Seine Heimspiele trägt der Klub unweit der Weißen Stadt an der Aroser Allee aus. Die Ziele der Mannschaften sind klar: Spaß haben und nicht Letzter werden.
Weitere Vertreter des Firmenfußballs sind Blau Gelb 51 und Freiberger Lebensmittel. Während es sich bei Blau Gelb um ehemalige Postboten handelt, ist Freiberger Hersteller für Tiefkühlprodukte. Beheimatet sind die Teams am Borsigpark, beziehungsweise Königshorster Straße.
Auch Stadler, der Zughersteller, beteiligt sich am geregelten Spielbetrieb. Hier gilt jedoch immer das Ziel: Weniger als 200 Gegentore pro Saison auf dem Kleinfeld. Egal in welcher Altersklasse. gw
Autor:Georg Wolf aus Mitte |
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