Anwohner muss ohrenbetäubenden Knall nachweisen

Reinickendorf. Fast auf den Tag genau nach vier Jahren war ein "Lärmvorfall" am Kurt-Schumacher-Platz Gegenstand einer Verhandlung vor dem Landgericht Berlin.

Glaubt man Thomas Kassner, dann hat der 23. Januar 2011 sein Leben verändert - und zwar in dramatischer Weise zum Schlechten. Der Pensionär aus Wedding wartete damals zusammen mit einer Bekannten am Kurt-Schumacher-Platz auf einen Bus in Richtung Märkisches Viertel. Dann donnerte, wie dort oft zu erleben, ein landendes Passagierflugzeug Richtung Tegeler Landebahn über den Platz. Dabei will Kassner plötzlich einen ohrenbetäubenden Knall gehört haben.

Ärzte bestätigten dem heute 70-jährigen ein Lärmtrauma, das durch ein tief fliegendes Großraumflugzeug verursacht worden sei. Bis heute ist er auf dem linken Ohr taub, weitere Beschwerden sind Tinnitus und Depressionen.

Kassner machte sich auf die Suche nach dem Verursacher. Zuerst hatte er Air Berlin in Verdacht. Dann fand er heraus, dass zu der fraglichen Zeit offenbar eine Maschine der chinesischen Fluglinie Hainan Airlines Richtung Tegel unterwegs war. Die Lackierungen der beiden Fluglinien seien laut Kassner leicht zu verwechseln.

Doch diese Information nützte ihm bisher wenig. Das Flugunternehmen bestreitet bis heute, dass es für den von Kassner wahrgenommenen Knall verantwortlich sei. Man sei mit neuen Maschinen unterwegs, eine Fehlzündung oder ähnliches sei ausgeschlossen, lässt Hainan Airlines verlauten. Auch versicherungstechnisch wurde es für Kassner schwierig. Erst 2014 einigte er sich mit seiner Versicherung vor einer anderen Kammer des Landgerichts auf eine Zahlung.

Jetzt verlangt Kassner direkt Schadenersatz von der chinesischen Firma. Auftakt war am 21. Januar vor dem Landgericht. Hainan Airlines bleibt allerdings dabei, dass es einen solchen Vorfall nicht gegeben habe. Das zu bewerten, ist nun Gegenstand weiterer Verhandlungen vor dem Landgericht. Im Luftfahrtgesetz ist schließlich in Paragraf 33 geregelt, dass Schäden, die beim Betrieb eines "Luftfahrzeugs" entstehen, vom Halter ersetzt werden müssen.

Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar auf Seite

Vertrauen in die Justiz

Ein Kommentar von Christian Schindler

Die unendliche Geschichte der Nichteröffnung des Großflughafens BER ist auch eine Geschichte der Enttäuschung von der Justiz. Immer wieder hatten Anwohner von Tegel gehofft, dass ihnen Gerichte das ermöglichten, was ihnen Politik und Verwaltung ihrer Ansicht nach vorenthielten: Das Ende des Fluglärms.

Doch bisher waren diese Hoffnungen vergebens. Auch wenn der Flughafen Tegel nach heutigen gesetzlichen Maßstäben nie eine erstmalige Betriebserlaubnis bekommen würde, hat er Bestandsschutz. Und der billigt nur unmittelbaren Anwohnern Schallschutz zu, zum Beispiel durch spezielle Fenster. Weiter entfernte Anwohner, die unter Verweis auf die längere Laufzeit auch diesen Schutz haben wollten, scheiterten vor Gericht.

Nun versucht also ein Anwohner, Schadensersatz für einen konkreten Vorfall einzuklagen. Einfach wird das nicht sein, denn bisher steht Aussage gegen Aussage. Ob es gelingt, vier Jahre nach dem Vorfall weitere Zeugen zu finden, dürfte schwierig sein. Doch alleine die Verhandlung vor dem Landgericht zeigt, dass Flughafen-Anwohner nicht nur hilflose Opfer sind.

Christian Schindler / CS
Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

13 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Schonende Verfahren für Ihre Rückengesundheit werden am 19. März vorgestellt. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Informationen für Patienten
Minimal-Invasive Wirbelsäulenchirurgie

Leiden Sie unter anhaltenden Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden? Moderne minimal-invasive Operationsverfahren ermöglichen eine schonendere Behandlung mit schnelleren Genesungszeiten. Erfahren Sie mehr über innovative Therapiemöglichkeiten bei unserem Infoabend mit Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Teamchefarzt des Caritas Wirbelsäulenzentrums. In seinem Vortrag erläutert er die Vorteile minimal-invasiver Wirbelsäulenchirurgie und zeigt auf, wann und für wen diese Methoden sinnvoll...

  • Reinickendorf
  • 18.02.25
  • 91× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 45× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 455× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.056× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.