Das Rad dreht sich immer langsamer
Bei mehreren Fahrradprojekten in Reinickendorf geht es nicht voran
An der Ollenhauerstraße ist die Debatte um den Fahrradweg erst einmal beendet. An anderen Stellen geht sie weiter. Denn es gibt noch einige Radbaustellen im Bezirk.
Der „Konsens“. Die nun doch angekündigte Freigabe des Radfahrstreifens auf der Ollenhauerstraße sei im Konsens zwischen Bezirk und Senatsverkehrsverwaltung gefunden worden, teilten Bezirksamt und Senat am 17. Juli in identischen Pressemitteilungen mit. Genutzt werden könnte die Strecke „zeitnah“, ohne dass zunächst ein konkretes Datum mitgeteilt wurde. Abends und nachts könne neben dem Radstreifen geparkt werden kann. Voraussichtlich 2026/27 werde die Ollenhauerstraße baulich verändert, bis dahin werde der vorhandene Radweg „mit kleinen Änderungen“ freigegeben.
Die wegfallenden Parkplätze waren ein Grund, warum der Bezirk den Radweg zunächst nicht eröffnen wollte. Nach Angaben von Verkehrsstadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU) würden dadurch nicht wie angegeben 77, sondern vielmehr 140 Auto-Abstellflächen wegfallen. Des Weiteren kritisierte sie, dass es bei diesem Projekt keine Beteiligung der Anwohner und Gewerbetreibenden gegeben habe. Außerdem wären bereits 2021 vorgebrachte Vorbehalte aus dem Bezirk von der damals Grün geführten Senatsverkehrsverwaltung nicht berücksichtigt worden.
Die Notwendigkeit, die Anlieger in die Entscheidung einzubinden, bleibe bestehen, unterstrich Bürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) in der Mitteilung. Deren Belange würden bei den Planungen für den anstehenden Um-, beziehungsweise Neubau der Ollenhauerstraße berücksichtigt. Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) sieht in der Ollenhauerstraße ein gutes Beispiel für sachorientierte Verkehrsplanung. „Wir müssen endlich die Schärfe aus der Diskussion um die Radwege nehmen.“ Es gehe um Verkehrssicherheit für alle und darum, dass die Geschäftstreibenden nicht durch falsche Planungen in Schwierigkeiten geraten.
Den Grund für die jetzt voraussichtlich doch relativ schnelle Freigabe des Radwegs sehen Bündnisgrüne oder Fahrradaktivisten vor allem darin, dass ansonsten mögliche finanzielle Risiken gedroht hätten. Ungefähr 200 000 der insgesamt etwa 280 000 Euro, die die Strecke gekostet hat, waren über Fördermittel des Bundes finanziert worden. Sie hätten womöglich zurückgezahlt werden müssen, wenn die Zuwendung nicht mehr dem eigentlichen Zweck gedient hätte. Die Deutsche Umwelthilfe verwies in diesem Zusammenhang auf ihren Eilantrag. Und selbst die Senatsverkehrsverwaltung hatte zuletzt klargestellt, dass sich das Radwegemoratorium auf geplante, aber nicht bereits gebaute Vorhaben beziehe.
Auf dem Prüfstand. Bei einem anderen Radverkehrsprojekt in Reinickendorf sind dagegen laut der Senatsverkehrsverwaltung „Überarbeitungen“ notwendig. Entlang der Roedernallee, Am Nordgraben, Oranienburger Straße soll ein Radfahrstreifen mit Sicherheitstrennstreifen gebaut werden. Die Verkehrsverwaltung hat hier noch „erhebliche Bedenken hinsichtlich des Lkw- und Busverkehrs sowie den Ampelschaltungen im genannten Straßenabschnitt“.
Als „Rückschlag“ bezeichnete die fraktionslose Bezirksverordnete Kai Bartosch diese Entscheidung. Die Begründung klinge nach ihrer Ansicht sehr makaber. „Verkehrssicherheit für wen? Ob Manja Schreiner jemals mit dem Fahrrad im Dunkeln oder im Regen über die lebensgefährliche Buckelpiste auf dem Bürgersteig gefahren ist?“
Lieferschwierigkeiten. Neben der Ollenhauerstraße gibt es noch ein weiteres nahezu fertiges Radwegeprojekt entlang des Borsigdamms, das bisher noch keine Freigabe erhalten hat. Schon in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Juni wollte die Grüne-Fraktionsvorsitzende Günes Keskin im Rahmen einer mündlichen Anfrage wissen, wann es hier zur Eröffnung kommt. Bisher könne dafür leider kein verbindlicher Termin genannt werden, lautete die schriftlich übermittelte Antwort von Julia Schrod-Thiel. Denn es gebe Lieferschwierigkeiten hinsichtlich der notwendigen Beschilderung.
Und was wird aus den Radschnellwegen? Im Auftrag des Senats plant die infraVelo, eine Tochtergesellschaft der landeseigenen Grün Berlin GmbH, den Bau von bis zu zehn Radschnellverbindungen durch die Stadt. Zwei davon betreffen den Bezirk. Zum einen die Mitte – Tegel – Spandau-Route, insgesamt mehr als 14 Kilometer, die an der künftigen Urban Tech Republic auf dem ehemaligen Flughafengelände vorbeiführen soll. Dort soll es auch eine Kreuzung mit der sogenannten Reinickendorf-Route geben. Sie verläuft über mehr als zehn Kilometer bis nach Heiligensee.
Auch das Schnellwegeprojekt wird aktuell von der Senatsverkehrsverwaltung noch einmal begutachtet. Unabhängig davon waren speziell manche Abschnitte der Reinickendorf-Route schon zuvor im Bezirk sehr umstritten. Das betraf vor allem die geplante Trassenführung durch die Berliner Straße in Tegel und den Verkehrsknotenpunkt Alt-Tegel mit U-Bahneingang und Bushaltestelle. Auch die Grünen waren über diese Variante nicht besonders glücklich.
Als möglicher Baubeginn für diese Radautobahnen wurde bisher das Jahr 2026 genannt. Es ist also, im Gegensatz zu anderen Vorhaben, kein Projekt, das mehr oder weniger zeitnah realisiert werden soll. Aber je nach Ergebnis der Prüfung kann es sein, dass es noch länger dauert, die Planungen verändert oder vielleicht ganz oder teilweise auf Eis gelegt werden.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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