Odyssee findet kein Ende
Der neue Radweg in der Ollenhauerstraße wird erst einmal nicht eröffnet
Die für Mitte Juni geplante Freigabe des neuen Radwegs auf der Ollenhauerstraße wurde ausgesetzt. Dies teilte Verkehrsstadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU) mit Verweis auf die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt mit. Sie hatte die Bezirke „gebeten“, Radwegeprojekte zu stoppen.
„Die Hausleitung“ unter der neuen Senatorin Manja Schreiner (CDU) wolle nach eigenem Bekunden die Straßenaufteilung insbesondere bei allen Berliner Radwegeplanungen und -projekten überprüfen und in diesem Zusammenhang gegebenenfalls andere Maßstäbe setzen als der Vorgängersenat. Das Schreiben war ebenfalls seit Mitte Juni bekannt. Darin wurden die Bezirke auch gebeten, angeordnete Radwege erst einmal auf Eis zu legen, wenn dadurch Parkplätze oder Fahrstreifen wegfallen.
Beim Radweg in der Ollenhauerstraße handelt es sich um ein Projekt, dessen Anfänge bis in das Jahr 2016 zurückreichen. Damals sei ein entsprechender Antrag von den Fraktionen der Grünen, SPD und CDU in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eingebracht worden, erinnerte die fraktionslose Bezirksverordnete Kai Bartosch in einer Stellungnahme auf die Mitteilung des Bezirksamtes. „Das Bezirksamt wird ersucht, bei der Erstellung der Vorlage der Investitionsplanung die Erneuerung der Ollenhauerstraße auf ihrer gesamten Länge, einschließlich der Anlage adäquater Radwege zu berücksichtigen“, lautete der damalige Text.
Es dauerte mehr als sechs Jahre, ehe die Arbeiten unter der Grünen-Verkehrsstadträtin Korinna Stephan Ende 2022 begannen. Ein Jahr zuvor, hatte ihre Vorgängerin, CDU-Verkehrsstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) umfangreiche Bedenken gegen das Radwegeprojekt geäußert, „die von der zuständigen Hauptverwaltung nicht beachtet worden sind“, erinnerte jetzt die aktuelle CDU-Verkehrsstadträtin Julia Schrod-Thiel. Dabei ging es unter anderem um Einwände von Anwohnern und Gewerbetreibenden, die dem Radwegprojekt kritisch gegenüberstanden.
Daran knüpft Schrod-Thiel jetzt an. Es solle nun gemeinsam mit den zuständigen Behörden geprüft werden, wie an dieser viel befahrenen Verkehrsader die Belange der Anwohner und der8 Gewerbetreibenden mit einbezogen werden können. Der Bezirk setze sich auf allen Ebenen dafür ein, eine vernünftige Lösung für alle in Reinickendorf zu finden. Dazu brauche es aber Zeit, Geduld und vor allem Überzeugungskraft in jede Richtung – Sorgfalt vor Schnelligkeit müsse hier der Grundsatz sein. „Mit der Brechstange erreichen wir im Sinn eines gesellschaftlichen Miteinanders gar nichts.“ Deshalb sei sich „Reinickendorf auch einig mit dem Senat“, wie es in der Überschrift hieß. Als Konsequenz wurden die Radwegmarkierungen mit gelber Folie überklebt und vorläufig außer Kraft gesetzt.
Die Entscheidung und das Vorgehen haben weit über Reinickendorf hinaus Wellen geschlagen. Selbst überregionale Medien beschäftigten sich mit dem Radweg, der zwar fertig ist, aber nicht freigegeben wird. Und es gibt einige Fragen. Eine betrifft die Finanzierung. Das Vorhaben hat ungefähr 280 000 Euro gekostet. Rund 200 000 Euro steuerte der Bund bei. Sie müssten wohl zurückgezahlt werden, wenn der Zweck, wofür die Fördermittel beantragt und bewilligt wurden, nicht erfüllt werden sollte.
Die Reinickendorfer Grünen melden wiederum Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens an und berufen sich dabei auf das Berliner Mobilitätsgesetz. Es sehe bei der Aufstellung und Fortschreibung des Radverkehrsplans vor, die Partner des Bündnisses für Radverkehr, den Berliner FahrRat und die Öffentlichkeit einzubeziehen. Da aus Sicht der Grünen auch das Einstellen einer Radwegeplanung eine Planungsmaßnahme sei, fragt die Fraktion, ob für die Rücknahme in der Ollenhauerstraße eine erneute Anordnung nötig war und wenn ja „von wem sie erfolgte und mit welcher Begründung?“
Fragen gibt es auch zur Kommunikation in dieser Causa. Bereits in der Sitzung der BVV am 10. Mai wollte Kai Bartosch in einer Mündlichen Anfrage wissen, wann die Radverkehrsanlagen in der Ollenhauerstraße freigegeben würden? Antwort von Julia Schrod-Thiel: Es könne noch kein genauer Zeitpunkt benannt werden. Denn bisher sei die beauftragte Firma ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht vollumfänglich nachgekommen. Zusätzlich „sind noch weitere verkehrsrechtliche Maßnahmen abzustimmen“.
Die mündliche Anfrage wurde damals schriftlich beantwortet. Denn die Fragestunde war abgelaufen, ehe das Anliegen von Kai Bartosch aufgerufen werden konnte. Ähnlich verhielt es sich bei der Sitzung am 14. Juni. Dieses Mal fragte Kai Bartosch nach einer Einschätzung des Bezirksamtes zur Gefährlichkeit der Ollenhauerstraße für Radfahrer ohne Radweg. Auch diese Anfrage konnte im Plenum nicht mehr aufgerufen werden. Es erging ihr so, wie den meisten mündlichen Anfragen an diesem Abend. Denn Julia Schrod-Thiel und Schulstadtrat Harald Muschner (CDU) hatten zu zwei anderen Anfragen so ausführlich referiert, dass die einstündige Fragestunde damit nahezu vollständig ausgeschöpft war.
Nicht nur Kai Bartosch „drängt sich inzwischen der Gedanke auf“, dass mit der ausufernden Redezeit der beiden Stadträte das Behandeln ihrer Anfrage verhindert werden sollte. Denn wahrscheinlich wäre spätestens bei weiteren Nachfragen deutlich geworden, dass der Radweg erst einmal nicht ans Netz geht. Seine Eröffnung war laut Hinweisschilder für den 14. Juni angekündigt. Gleichzeitig hat die „Bitte“ der Verkehrssenatorin zu diesem Zeitpunkt wohl schon vorgelegen. Julia Schrod-Thiel hätte sich für den Radweg in der Ollenhauerstraße feiern lassen können, stellt Kai Bartosch fest. Stattdessen gebe es jetzt „eine Rolle rückwärts“.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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