„Ich wünsche mir Stabilität“
Bürgermeister Oliver Igel im Interview

Oliver Igel, seit Oktober 2011 Bürgermeister von Treptow-Köpenick, auf dem Flur neben seinem Büro in der Rudower Chaussee 4. Das Gemälde "Punker" gehört zu seinen Lieblingsbildern. Es stammt von dem 2021 verstorbenen Künstler Reinhart Hevicke. | Foto: Philipp Hartmann
  • Oliver Igel, seit Oktober 2011 Bürgermeister von Treptow-Köpenick, auf dem Flur neben seinem Büro in der Rudower Chaussee 4. Das Gemälde "Punker" gehört zu seinen Lieblingsbildern. Es stammt von dem 2021 verstorbenen Künstler Reinhart Hevicke.
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Für Bürgermeister Oliver Igel (SPD) war 2023 ein ereignisreiches Jahr, in dem er trotz Stimmenverlusten seiner Partei bei der Wiederholungswahl sein Amt behalten konnte. Wie der Fußballfan den Absturz des 1. FC Union erlebt hat, wie er auf das wochenlange Verkehrschaos in der Köpenicker Bahnhofstraße zurückblickt und was er sich für 2024 wünscht, darüber hat er mit Berliner-Woche-Reporter Philipp Hartmann gesprochen.

Bei der Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 legte die CDU deutlich zu, holte mehr Stimmen als die SPD und machte Ihnen später Vorwürfe, Sie würden auf Ihrem Bürgermeisterposten kleben und nicht Platz für einen CDU-Bürgermeister machen. Wie sind Sie damit umgegangen?

Oliver Igel: Also das hat mich wirklich persönlich sehr getroffen. Wer den Bürgermeister oder herausgehobene Positionen stellen will im Bezirk, muss – und das gehört zum demokratischen System – eine absolute Mehrheit erreichen. Die CDU hat 23 Prozent, die SPD 22 Prozent, keine Partei allein hat eine absolute Mehrheit. Es werden Koalitionen gebildet und diese Koalitionen haben dann die absolute Mehrheit. So ist es auch in diesem Bezirk. Ich verstehe, dass die CDU verärgert ist, dass sie jetzt auch nicht alles bekommen hat, weil sie ein Prozent vor der SPD liegt. Aber die demokratischen Prozesse sind so, und die sind auch völlig korrekt. Wenn ich nach Charlottenburg-Wilmersdorf schaue: Da hat die CDU auch den ersten Platz, hat aber eine grüne Bürgermeisterin gewählt. Es ist immer eine Frage der Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Meine Sorge ist, dass jetzt durch diese übermäßig inszenierte Empörung über ganz normale demokratische Prozesse ein Stück kommunalpolitische Kultur verloren geht, nämlich die, in der Sache zusammenzuarbeiten.

Wie haben diese Vorwürfe das politische Miteinander im Bezirk verändert?

Oliver Igel: Ich erlebe die vergangenen Monate in einer Art und Weise, wo es plötzlich nur noch um das Persönliche geht, wo sehr schlecht miteinander umgegangen wird, es sogar Beleidigungen gibt, die sozialen Medien sehr stark überstrapaziert werden mit Anwürfen. Und wenn man sich das dann in der Sache anschaut, dann gibt es da eigentlich gar keine sachliche Grundlage. Dann sind da Kritikpunkte genannt, die man im normalen Leben als Kleinigkeiten bezeichnen würde. Das kann die demokratische Kultur in unserem Bezirk sehr negativ beeinflussen, und das sorgt mich tatsächlich. Denn es war immer gut in unserem Bezirk, wenn alle demokratischen Parteien angemessen und ordentlich miteinander umgegangen sind und auch zusammengearbeitet haben im Sinne der Bürgerinnen und Bürger. So habe ich es auch Jahrzehnte erlebt.

Im vergangenen März wurde der Start zum Ausbau des Regionalbahnhofs Köpenick gefeiert. Danach gab es aber wochenlang ein Verkehrschaos auf der Bahnhofstraße. Viele Bürger haben auch Sie persönlich dafür verantwortlich gemacht, obwohl die Zuständigkeit dafür beim Senat liegt. Trotzdem die Frage: Hätte das nicht schon im Vorfeld besser organisiert werden müssen?

Oliver Igel: Also erstmal: Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass dieser Regionalbahnhof ein wichtiges Infrastrukturprojekt für den Bezirk ist, der zu einer wichtigen Verkehrsentlastung und zu einer Stärkung des Nahverkehrs führen wird. Es wird ein Erfolgsprojekt sein, aber wir haben eine sehr lange Durststrecke zurückzulegen. Es hat mich sehr geärgert, wie unprofessionell das vorbereitet war. Denn: Es ist so ein großes, auch finanzstarkes Projekt und mit der Deutschen Bahn eigentlich mit einem Partner, der solche Großprojekte gewöhnt sein sollte, dass ich sehr überrascht war, welche Probleme am Beginn der Baumaßnahmen nicht gelöst waren. Leider ist es so, dass wir als Bezirk dann zu wenig zu sagen haben. Trotzdem haben wir das dann in die Hand genommen.

Was haben Sie gemacht?

Oliver Igel: Ich habe zusammen mit der Baustadträtin eine regelmäßige Runde einberufen mit allen am Bau beteiligten Partnerinnen und Partnern. Die besteht bis heute noch. Es ist überhaupt nicht unsere Aufgabe als Bezirk, das zu koordinieren, aber wir machen es jetzt einfach. Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass diese Fragen alle vorher geklärt worden wären, und es wäre auch die Aufgabe der beteiligten Projektpartner gewesen, das zu tun. Das wirft jetzt ein schlechtes Licht auf dieses so wichtige und gute Projekt. Das ist das Ärgerliche. Als die BVG den Tipp gegeben hat: Lauft doch zum Bahnhof Köpenick – da war der Tiefpunkt erreicht. Der gleichzeitig aber auch symbolhaft gezeigt hat, dass dort überhaupt kein durchdachtes Verkehrskonzept im Rahmen der Baumaßnahme erarbeitet worden war, was aber zwingend zu einer solchen Großbaustelle dazugehört. Das war enttäuschend.

Ich weiß, dass Sie großer Fan des 1. FC Union sind. War der Absturz in der Hinrunde der laufenden Saison inklusive Entlassung von Trainer Urs Fischer für Sie persönlich schmerzhaft?

Oliver Igel: Ja, die Trennung von Urs Fischer war natürlich sehr schmerzhaft. Ansonsten ist es ein Prozess, wo wir Fans jetzt auch mal wieder ein Stück geerdet wurden. Das war eine tolle Zeit, in der es immer weiter nach oben ging und immer größere Erfolge gefeiert wurden. Aber gleichzeitig war das ja schon fast ein Traum und ein Märchen in einem, und das konnte natürlich auch nicht immer und ewig so weitergehen, auch wenn man sich das wünscht. Insofern sind wir jetzt auf ein Niveau zurückgekehrt, das man eben auch kennt. Ich kann nur alle Daumen drücken und bin auch fest davon überzeugt, dass wir in der Ersten Liga bleiben.

Kommen wir zu den schönen Dingen: Was hat Ihnen 2023 bei den vielen Terminen, die Sie im Bezirk wahrgenommen haben, besondere Freude bereitet?

Oliver Igel: Wir haben eine ganze Reihe von Bauprojekten auf den Weg bringen können. Wir haben die neue Musikschule eröffnet in Baumschulenweg. Das ist ein Meilenstein: der allererste Bau einer eigenen Musikschule in unserem Bezirk. Das gab es noch nicht. Wir haben das Kulturzentrum Alte Schule in Adlershof, jedenfalls den Kulturteil, wiedereröffnen können nach einer Sanierung. Der Bau der Gemeinschaftsschule Adlershof hat begonnen. Das Gästehaus am FEZ hatte gerade Richtfest. Also wir haben eine Vielzahl von Projekten auf den Weg gebracht, im Übrigen auch sehr viele Kitabauten, die erweitert oder neu gebaut werden. Da passiert nach wie vor sehr viel. Darüber hinaus haben wir auch sehr schöne Veranstaltungen gehabt. Da fallen mir im sportlichen Bereich die Special Olympics ein.

…die weltweit größte inklusive Sportveranstaltung, die im Juni in Berlin stattfand…

Oliver Igel: Wir waren ja der Bezirk, der die ukrainische Nationalmannschaft betreut hat, und das war einfach ein tolles Erlebnis. Wir haben den Sportlerinnen und Sportlern quasi eine Woche Programm geboten und sind da richtig eins geworden. Zu sehen, wie die jungen Sportler, die aus einem Kriegsgebiet kommen und unter Kriegsbedingungen trainiert haben, trotzdem die Kraft aufbringen, ihr Land zu vertreten und sportliche Höchstleistungen zu vollführen, das war einfach beeindruckend.

Bei den Zielen, die Sie als Bürgermeister haben: Wie blicken Sie auf das Jahr 2024 voraus?

Oliver Igel: Wir sind jetzt schon wieder in einer schwierigeren Phase. Finanziell stehen die Bezirke und das Land insgesamt vor großen Problemen. Berlin kommt in eine Phase, wo es schwieriger wird, Geld auszugeben, wo auch wieder gespart werden muss. Die Zeiten, die es in den letzten Jahren auch gab, wo viele neue Dinge auf den Weg gebracht werden konnten, weil es Berlin finanziell ganz gut ging, die sind wohl wieder vorbei. Wir werden uns an vielen Stellen auf das Wesentliche konzentrieren müssen.

Was bedeutet das konkret?

Oliver Igel: Das ist das eigentliche Alltagsgeschäft des Bezirks, das organisiert werden muss, dass Menschen, die bedürftig sind, ihre Leistungen auch so bekommen, dass sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Dafür brauchen wir Personal und Geld, und alles Weitere darüber hinaus ist Kür.

Was wünschen Sie sich für dieses Jahr?

Oliver Igel: Ich wünsche mir für 2024 auf jeden Fall, ein Stück Stabilität zu haben. Inzwischen wird schon Stabilität zu einem großen Wunsch. Also es geht mir jetzt gar nicht darum, ganz viel Neues noch mal auf den Weg zu bringen, sondern zu erhalten, was wir haben, und auch, was Investitionen betrifft, vieles weiterzumachen. Natürlich wollen wir das Strandbad Müggelsee positiv zu Ende bringen, wir wollen auch noch ganz viele Schulbaumaßnahmen fortsetzen. Ich wünsche mir, dass wir für die Menschen spürbar noch ein paar Verwaltungsdienstleistungen verbessern können. Da bleibt das Dauerthema Bürgeramt. Dann hoffe ich, dass wir dieses Jahr die Sanierung des Rathauses Köpenick abschließen können. Und dann wünsche ich mir auch, dass wir das, wo wir jetzt auf einem sehr guten Weg sind, nämlich bei den Kitaplätzen, wir es wirklich erreichen, dass wir in bestimmten Regionen vielleicht sogar mehr Kitaplätze haben, als wir überhaupt brauchen.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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