"Verordneter sein, das muss man wollen"
BV-Vorsteher Peter Groos berichtet von der anspruchsvollen Arbeit in der Bezirksverordnetenversammlung

Peter Groos, hier im BVV-Saal im Rathaus Treptow, ist seit 2006 BVV-Mitglied und seit August 2014 BV-Vorsteher. 2016 wechselte er von den Grünen zur SPD.  | Foto:  Philipp Hartmann
  • Peter Groos, hier im BVV-Saal im Rathaus Treptow, ist seit 2006 BVV-Mitglied und seit August 2014 BV-Vorsteher. 2016 wechselte er von den Grünen zur SPD.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Nach der Wahl am 26. September wird es noch einige Wochen dauern, bis die neue Bezirksverordnetenversammlung (BVV) steht. Voraussichtlich am 4. November wird sie zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Anschließend wird sie die Stadträte und den Bürgermeister wählen. Entweder bleibt SPD-Spitzenkandidat Oliver Igel im Amt oder eine andere Partei übernimmt.

Bei dieser Zusammensetzung der BVV und des Bezirksamts bleibt es dann die nächsten fünf Jahre. Die Verordneten bestimmen bei vielen Themen mit, die den Alltag und die Lebensqualität der Menschen in Treptow-Köpenick ausmachen. Sie stellen auch den Haushaltsplan des Bezirks auf. Das Geld dafür kommt vom Land Berlin. Mit dem Bezirksamt entscheiden sie beispielsweise über die Sanierung von Schulgebäuden, über Spiel- und Sportplätze, öffentliche Schwimmbäder, Jugendfreizeiteinrichtungen, Kultur- und Bildungsangebote, die Ausübung des Vorkaufsrechts bei Wohnungsverkauf, die Ausweisung von Milieuschutzgebieten sowie öffentliches Straßenland, das nicht von überbezirklicher Bedeutung ist. Einige Anliegen können schneller umgesetzt werden, weil das Bezirksamt dafür allein verantwortlich ist. Wenn es allerdings um Angelegenheiten geht, die für die gesamte Stadt von Bedeutung sind, müssen das Abgeordnetenhaus und der Senat entscheiden.

55 Mitglieder sitzen in der BVV. Die Anzahl der Sitze je Partei ist abhängig von ihrem Stimmenanteil im Bezirk. Ab drei Verordneten kann eine Partei eine Fraktion bilden. Jede BVV bestimmt selbst, welche Ausschüsse gebildet werden, weshalb sie je nach Bezirk variieren. In den Ausschüssen arbeiten die Verordneten zusammen, die auf das jeweilige Themengebiet spezialisiert sind, zum Beispiel Umwelt, Kultur, Stadtentwicklung, Integration oder Jugendhilfe. Ihre Lösungsvorschläge und Entscheidungen werden allen BVV-Mitgliedern zur Abstimmung vorgelegt. Das Besondere: Weil Berlin ein Stadtstaat ist, sind die Bezirke keine selbstständigen Kommunen. Aus diesem Grund darf die BVV im Gegensatz zum Abgeordnetenhaus keine Gesetze beschließen. Die BVV kann kein konkretes Verwaltungshandeln anweisen, sondern lediglich anregen. Deren Ausübung liegt im Ermessen des Bezirksamts. Mit Anträgen und Beschlüssen kann die BVV jedoch die Arbeit des Bezirksamts beeinflussen. Die Verordneten können mit schriftlichen, großen und mündlichen Anfragen Auskünfte verlangen und Entscheidungen des Amts durch einen Beschluss aufheben.

Darüber hinaus wählen die Verordneten einen Vorsteher. Seit sieben Jahren ist das Peter Groos. „Es ist eine sehr verantwortungsvolle und anstrengende Tätigkeit, die ich gerne gemacht habe“, sagt er in der Vergangenheitsform. Denn noch ist völlig unklar, ob er diese Funktion in der kommenden Legislaturperiode innehaben wird. Der Sozialdemokrat arbeitet in einem Büro im Rathaus Treptow, wo alle Informationen zusammenlaufen. An das BVV-Büro wenden sich Bürger mit Fragen und Beschwerden. Groos und seine Mitarbeiter helfen weiter. „Wir empfinden uns als Servicebüro. Man kann nicht verlangen, dass die Menschen die komplizierten Verwaltungsstrukturen kennen.“ Die Einbeziehung und Beteiligung der Bürger an der Bezirkspolitik sind ihm wichtig. 45 Minuten lang können sich Bürger in jeder BVV-Sitzung direkt an das Bezirksamt wenden. „Ich achte darauf, dass die Einwohnerfragen immer so weit vorne auf der Tagesordnung stehen, dass sie definitiv drankommen.“ Auch an die Ausschüsse können sich Bürger wenden. Als „sehr lebendig und selbstbewusst“ bezeichnet er die Bürgerschaft in Treptow-Köpenick.

Wer ein persönliches Anliegen vorbringen möchte, kann auch die Fraktionsbüros der Parteien kontaktieren. Die Verordneten sind schließlich dazu da, die Bürgerinteressen zu vertreten. „Ein guter Bezirksverordneter ist nah dran an den Menschen und Themen in dem Ortsteil, wo er lebt“, meint Peter Groos. Eine goldene Nase verdient sich dabei niemand. Die Verordneten arbeiten ehrenamtlich. Sie erhalten eine Aufwandsentschädigung, die nach Angaben der Berliner Landeszentrale für politische Bildung seit Anfang dieses Jahres bei 980 Euro pro Monat liegt. Außerdem bekommen sie eine Fahrtkostenpauschale von 41 Euro und ein Sitzungsgeld von 20 bis 31 Euro je Sitzung. Weil sie davon nicht leben können, gehen Bezirksverordnete wie jeder andere Bürger ganz normal arbeiten. Erzieher, Lehrer und Juristen sind recht häufig. Seit Jahren beobachtet Peter Groos, selbst Historiker, aber eine Professionalisierung des Politikbetriebs. „Es gibt zunehmend Verordnete, die auch hauptberuflich im Politikgeschäft tätig sind. Gut ist das nicht“, meint er. Auf diese Weise komme es immer mehr zu einer Entfremdung – und es entstehe bei den Bürgern der Eindruck, dass die Politik eine eigene Welt ist.

Neben dem Beruf nimmt jeder Verordnete monatlich, außer in der zweimonatigen Sommerpause, an einer BVV-Sitzung teil. Hinzukommen Ausschuss- und Fraktionssitzungen und oft noch Termine an den Wochenenden. Viel Zeit für Hobbys bleibt da nicht. „Manche erkennen schnell, dass das für sie nicht passt, und geben ihr Mandat wieder zurück“, berichtet Peter Groos. Verordneter zu sein, „das muss man wollen“.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

49 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 2.678× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 2.021× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 2.644× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 3.552× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.