"Verordneter sein, das muss man wollen"
BV-Vorsteher Peter Groos berichtet von der anspruchsvollen Arbeit in der Bezirksverordnetenversammlung
Nach der Wahl am 26. September wird es noch einige Wochen dauern, bis die neue Bezirksverordnetenversammlung (BVV) steht. Voraussichtlich am 4. November wird sie zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Anschließend wird sie die Stadträte und den Bürgermeister wählen. Entweder bleibt SPD-Spitzenkandidat Oliver Igel im Amt oder eine andere Partei übernimmt.
Bei dieser Zusammensetzung der BVV und des Bezirksamts bleibt es dann die nächsten fünf Jahre. Die Verordneten bestimmen bei vielen Themen mit, die den Alltag und die Lebensqualität der Menschen in Treptow-Köpenick ausmachen. Sie stellen auch den Haushaltsplan des Bezirks auf. Das Geld dafür kommt vom Land Berlin. Mit dem Bezirksamt entscheiden sie beispielsweise über die Sanierung von Schulgebäuden, über Spiel- und Sportplätze, öffentliche Schwimmbäder, Jugendfreizeiteinrichtungen, Kultur- und Bildungsangebote, die Ausübung des Vorkaufsrechts bei Wohnungsverkauf, die Ausweisung von Milieuschutzgebieten sowie öffentliches Straßenland, das nicht von überbezirklicher Bedeutung ist. Einige Anliegen können schneller umgesetzt werden, weil das Bezirksamt dafür allein verantwortlich ist. Wenn es allerdings um Angelegenheiten geht, die für die gesamte Stadt von Bedeutung sind, müssen das Abgeordnetenhaus und der Senat entscheiden.
55 Mitglieder sitzen in der BVV. Die Anzahl der Sitze je Partei ist abhängig von ihrem Stimmenanteil im Bezirk. Ab drei Verordneten kann eine Partei eine Fraktion bilden. Jede BVV bestimmt selbst, welche Ausschüsse gebildet werden, weshalb sie je nach Bezirk variieren. In den Ausschüssen arbeiten die Verordneten zusammen, die auf das jeweilige Themengebiet spezialisiert sind, zum Beispiel Umwelt, Kultur, Stadtentwicklung, Integration oder Jugendhilfe. Ihre Lösungsvorschläge und Entscheidungen werden allen BVV-Mitgliedern zur Abstimmung vorgelegt. Das Besondere: Weil Berlin ein Stadtstaat ist, sind die Bezirke keine selbstständigen Kommunen. Aus diesem Grund darf die BVV im Gegensatz zum Abgeordnetenhaus keine Gesetze beschließen. Die BVV kann kein konkretes Verwaltungshandeln anweisen, sondern lediglich anregen. Deren Ausübung liegt im Ermessen des Bezirksamts. Mit Anträgen und Beschlüssen kann die BVV jedoch die Arbeit des Bezirksamts beeinflussen. Die Verordneten können mit schriftlichen, großen und mündlichen Anfragen Auskünfte verlangen und Entscheidungen des Amts durch einen Beschluss aufheben.
Darüber hinaus wählen die Verordneten einen Vorsteher. Seit sieben Jahren ist das Peter Groos. „Es ist eine sehr verantwortungsvolle und anstrengende Tätigkeit, die ich gerne gemacht habe“, sagt er in der Vergangenheitsform. Denn noch ist völlig unklar, ob er diese Funktion in der kommenden Legislaturperiode innehaben wird. Der Sozialdemokrat arbeitet in einem Büro im Rathaus Treptow, wo alle Informationen zusammenlaufen. An das BVV-Büro wenden sich Bürger mit Fragen und Beschwerden. Groos und seine Mitarbeiter helfen weiter. „Wir empfinden uns als Servicebüro. Man kann nicht verlangen, dass die Menschen die komplizierten Verwaltungsstrukturen kennen.“ Die Einbeziehung und Beteiligung der Bürger an der Bezirkspolitik sind ihm wichtig. 45 Minuten lang können sich Bürger in jeder BVV-Sitzung direkt an das Bezirksamt wenden. „Ich achte darauf, dass die Einwohnerfragen immer so weit vorne auf der Tagesordnung stehen, dass sie definitiv drankommen.“ Auch an die Ausschüsse können sich Bürger wenden. Als „sehr lebendig und selbstbewusst“ bezeichnet er die Bürgerschaft in Treptow-Köpenick.
Wer ein persönliches Anliegen vorbringen möchte, kann auch die Fraktionsbüros der Parteien kontaktieren. Die Verordneten sind schließlich dazu da, die Bürgerinteressen zu vertreten. „Ein guter Bezirksverordneter ist nah dran an den Menschen und Themen in dem Ortsteil, wo er lebt“, meint Peter Groos. Eine goldene Nase verdient sich dabei niemand. Die Verordneten arbeiten ehrenamtlich. Sie erhalten eine Aufwandsentschädigung, die nach Angaben der Berliner Landeszentrale für politische Bildung seit Anfang dieses Jahres bei 980 Euro pro Monat liegt. Außerdem bekommen sie eine Fahrtkostenpauschale von 41 Euro und ein Sitzungsgeld von 20 bis 31 Euro je Sitzung. Weil sie davon nicht leben können, gehen Bezirksverordnete wie jeder andere Bürger ganz normal arbeiten. Erzieher, Lehrer und Juristen sind recht häufig. Seit Jahren beobachtet Peter Groos, selbst Historiker, aber eine Professionalisierung des Politikbetriebs. „Es gibt zunehmend Verordnete, die auch hauptberuflich im Politikgeschäft tätig sind. Gut ist das nicht“, meint er. Auf diese Weise komme es immer mehr zu einer Entfremdung – und es entstehe bei den Bürgern der Eindruck, dass die Politik eine eigene Welt ist.
Neben dem Beruf nimmt jeder Verordnete monatlich, außer in der zweimonatigen Sommerpause, an einer BVV-Sitzung teil. Hinzukommen Ausschuss- und Fraktionssitzungen und oft noch Termine an den Wochenenden. Viel Zeit für Hobbys bleibt da nicht. „Manche erkennen schnell, dass das für sie nicht passt, und geben ihr Mandat wieder zurück“, berichtet Peter Groos. Verordneter zu sein, „das muss man wollen“.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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