„Tacheles reden und Dinge machen“
Stadtrat Alexander Freier-Winterwerb (SPD) will frischen Wind ins Gesundheits- und ins Jugendamt bringen
„Ich mache Kommunalpolitik seit 15 Jahren. Aber das ist schon eine andere Nummer, jetzt die Seite zu wechseln“, sagt Alexander Freier-Winterwerb (SPD) über seine neue Aufgabe. Der 35-Jährige, der in Köpenick aufgewachsen ist und im Kungerkiez in Alt-Treptow wohnt, ist neuer Stadtrat für Jugend und Gesundheit. Zuvor war er 15 Jahre BVV-Mitglied.
Ausgerechnet in der bisher dramatischsten Phase der Corona-Pandemie hat er die Verantwortung für das Gesundheitsressort übernommen. Zweifel habe er aber keine verspürt. „Ich wollte das unbedingt“, betont er. Entspanntes Einarbeiten war nicht möglich. Freier-Winterwerb stürzte sich sofort in die Arbeit und musste gleich schwierige Probleme lösen. Zum Beispiel, als vor einigen Wochen die von der Senatsgesundheitsverwaltung eingesetzten Impfbusse in Treptow-Köpenick mehrmals kurzfristig den Standort wechselten und dadurch viele frustrierte Bürger zurückließen. Das sei eine Katastrophe gewesen, so der Stadtrat. Als Konsequenz stellte er mit seinem Amt Anfang Dezember eigenständige Impftouren durch den Bezirk auf die Beine. Dafür kaufte er noch selbst in der Apotheke Material ein und bestellte den Impfstoff. Eine eigene Impfstation soll noch aufgebaut werden. Außerdem beantragte er Amtshilfe, um personelle Unterstützung aus anderen Fachbereichen des Bezirksamts und von der Bundeswehr zu erhalten.
Ein anderes Problem sei die Kommunikation im Gesundheitsamt gewesen, sowohl intern als auch nach außen. Als Stadtrat möchte der Sozialdemokrat diesbezüglich alles anders machen als sein Vorgänger von der AfD, Bernd Geschanowski. An ihm spart Freier-Winterwerb nicht mit Kritik. „Dieses Amt wurde schlecht geführt. Das muss man einfach so sagen.“ Seit dem Ausbruch der Pandemie hätten die Bezirksverordneten kaum Informationen aus dem Amt erhalten. Nachdem er gewählt war, habe er dagegen die Bezirksverordneten gleich mal zu einem Gespräch eingeladen, um alle auf den aktuellen Stand zu bringen. In den ersten zwei Wochen habe er außerdem an alle Türen geklopft und sich den Mitarbeitern persönlich vorgestellt. „Ich möchte den Mitarbeitern das Gefühl geben: Ihr seid wichtig, ihr könnt euch auf mich verlassen. Ich möchte das Amt gemeinsam mit euch entwickeln“, so Freier-Winterwerb. Eine Angestellte habe völlig überrascht gesagt: „Ich bin doch nur eine Schreibkraft.“ Daraufhin habe er geantwortet: „Und ich bin nur der Stadtrat.“
Er habe das Gefühl, dass jetzt ein frischer Wind im Gesundheitsamt wehe und wieder Spaß bei der Arbeit herrsche. „Ich kann teilweise nicht schlafen, weil ich so aufgeregt bin. Das ist wirklich ganz erfüllend“, erzählt er begeistert von seiner neuen Aufgabe, die das Jugendamt einschließt. Auch in diesem Ressort hat der SPD-Politiker schon konkrete Vorstellungen. So möchte er die 45 offenen Stellen besetzen. „Wir haben tolle, engagierte Kollegen, die aber auch sehr belastet sind. Sie sollen mal durchatmen können.“ Außerdem möchte er die Familien im Bezirk mehr entlasten und mehr Serviceorientierung bieten, eine Jugendfreizeiteinrichtung auf dem Mellowpark-Areal einrichten und Standorte für zwei weitere ausfindig machen. „Es gibt unglaublich viel zu tun.“
Obwohl erst Mitte 30, bringt Alexander Freier-Winterwerb geballte kommunalpolitische Erfahrung ins Bezirksamt mit. Seit 2006 war er Mitglied in der Bezirksverordnetenversammlung und vertreten in verschiedenen Ausschüssen. Parallel dazu arbeitete er seit 2005 im Bundestag, zuletzt als wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Abgeordneten Andreas Schwarz. Von 2011 bis 2016 war er Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, ab 2016 Vorsitzender der SPD-Fraktion in der BVV. Bereits als Teenager wurde er für die BVV aufgestellt. Auch schon davor engagierte er sich – als Klassensprecher, Schülersprecher, Bezirksschülersprecher und dann Landesschülersprecher.
In seiner Freizeit versucht er, möglichst viel Zeit mit Freunden zu verbringen, sei es beim Trampolinspringen, bei einer Bootsfahrt auf der Spree oder an seinem Lieblingsort, dem Treptower Park. Außerdem geht er, wenn es die Zeit zulässt, ins Fitnessstudio. Kaum noch Zeit habe er dagegen für die Playstation 4, die er sich im Lockdown gekauft hat. Worauf er aber auf keinen Fall verzichten möchte, sind Horrorfilme. „Die gucke ich für mein Leben gern“, sagt Freier-Winterwerb. Was ihm am Bezirk gefällt ist die „menschlich hochanständige Zivilgesellschaft“, die es hier gibt. Was ihm nicht gefällt, sind die „Abwehrreflexe in der Verwaltung“, wie er es nennt. „,Da bin ich nicht zuständig' ist für mich ein ganz schlimmer Satz. Tacheles reden und Dinge machen, das finde ich wichtig“, sagt er.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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