Jobcenter engagiert sich im Alphabündnis
Lotsen informieren über Bildungsangebote für Menschen, die nicht lesen und schreiben können
Anlässlich des Weltalphabetisierungstags machte das Alfa-Mobil des Bundesverbands Alphabetisierung und Grundbildung am Jobcenter Lichtenberg Station.
Aus diesem Anlass stellte das Jobcenter seine Alphalotsen sowie seine Bemühungen vor, Menschen zu unterstützen, die nicht oder kaum lesen und schreiben können, schätzungsweise 20 000 Menschen zwischen 18 und 64 Jahren im Bezirk. Die Probleme sehen auch die Mitarbeiter des Jobcenters immer wieder. Deshalb entschloss sich die Behörde, sich dem Alpha-Siegel-Zertifizierungsprozess zu unterziehen. 2019 wurde dem Jobcenter dieses Siegel erstmals verliehen und inzwischen fand auch die Re-Zertifizierung statt.
Vor der Verleihung wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Berliner Grundbildungszentrum unter anderem Hemmschwellen identifiziert und Mitarbeiter im Umgang mit gering literalisierten Menschen geschult. „Außerdem wurde in jedem Team eine Alphalotsin oder ein Alphalotse benannt“, berichtet Viola Waltenberger, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt und zugleich die Koordinatorin für das Alpha-Bündnis im Jobcenter. Rund 40 Lotsen gibt es. Sie sind auch durch das Alpha-Siegel-Symbol neben ihrem Namen an den Türschildern zu identifizieren.
Die Lotsen finden die richtige Ansprache, wenn sie merken, dass jemand Probleme mit dem Lesen und Schreiben hat. Außerdem haben sie eine Übersicht über aktuelle Grundbildungsangebote im Bezirk. Alphabetisierungskurse für Erwachsene finden vor allem an der Volkshochschule sowie bei der Mediplus-Bildungswerk gGmbH statt, berichtet Viola Waltenberger. Um sich mit solchen Einrichtungen zum Thema Grundbildung zu vernetzen, ist das Jobcenter auch Mitglied im Lichtenberger Alphabündnis, das 2017 gegründet wurde.
Dessen Koordinatorin ist seit Anfang September Kerstin Drecke und neuer Schirmherr Bürgermeister Martin Schaefer (CDU). Beide, sowie Sozialstadtrat Kevin Hönicke (SPD), besuchten anlässlich des Weltalphabetisierungstags das Jobcenter. Dabei bedankte sich Bürgermeister Schaefer für die Arbeit der Lotsen.
Der Geschäftsführer des Jobcenters, Lutz Neumann, schätzt die Arbeit der Alpha-Lotsen als sehr wertvoll ein. „Wir möchten den Menschen, die nicht oder nur wenig lesen und schreiben können zeigen, dass wir ihnen weiterhelfen können“, sagt er.
Am Alfa-Mobil erhielten Interessierte Informationen zum Thema Grundbildung und sie konnten Gerhard Prange kennenlernen. Er ist Alpha-Lernbotschafter. „Ich konnte die meiste Zeit meines Lebens weder lesen noch schreiben“, berichtet er. „Schon meine Eltern konnten das nicht. Deshalb konnten sie mich auch nicht unterstützen. In der Hilfsschule bekam ich auch nichts mit. Ich musste meine Lehre als Gas-Wasser-Installateur abbrechen, weil ich die Straßennamen nicht lesen konnte und die Baustellen nicht fand. Ich arbeitete danach in einer chemischen Reinigung und später hatte ich unterschiedliche andere Jobs“, berichtet der 66-Jährige.
Dass er sich im Alter von 53 Jahren entschloss, noch zu lernen, liegt an seiner Tochter. „Ich konnte ihr nichts vorlesen und damit auch nichts beibringen. Das ärgerte mich. Darum sagte ich mir: Du musst noch mal die Schulbank drücken.“ Gerhard Prange absolvierte einen Grundbildungskurs an der Volkshochschule. Danach lernte er sechs Jahre im Projekt Arbeitsorientierte Grundbildung (AOB) und seit er dafür zu weit fortschritten war, besuchte er Lern-Cafés.
„Als Rentner bin ich jetzt Lernbotschafter“, sagt er nicht ohne Stolz. Seine Tochter hat übrigens das Abitur abgelegt und bei der Deutschen Bahn eine Ausbildung begonnen.
Informationen zum Bündnis auf https://alphabuendnis-lichtenberg.de/, zum Alfa-Mobil auf https://alfa-mobil.de.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.