Besuch bei den Münzfreunden
Geschichtsforschung rund um Geldstücke
Sie treffen sich alle zwei Wochen, meist in der Begegnungsstätte Ruschestraße 43: die Lichtenberger Münzfreunde. Wer dahinter eine reine Sammlervereinigung vermutet, der irrt. Das Sammeln von Münzen, Medaillen, Orden, alten Geldscheinen, Aktien, Lebensmittelmarken und ähnlichem ist eigentlich nur Mittel zum Zweck. Die Numismatiker sind eher Historiker.
„Wir spezialisieren uns auf bestimmte Gebiete“, berichtet Thomas Lenk, einer der Münzfreunde. „Zu diesen Themen sammeln wir dann Münzen und Medaillen, erforschen aber auch das soziale, politische und kulturelle Umfeld. Dazu halten wir auch Vorträge.“ So sammeln die Lichtenberger Numismatiker beispielsweise Münzen oder Geldscheine aus unterschiedlichen Epochen Deutschlands und altdeutscher Staaten, aus den USA, Kanada, der Mongolei, Polen und der UdSSR, aus Südostasien, aus dem Baltikum, aber auch mit Tier- und Pflanzenmotiven aus aller Welt
Thomas Lenk hat sich auf Münzen aus dem Europa des Spätmittelalters, also aus dem Zeitabschnitt von 1250 bis 1500 fokussiert. „Ich sammle bereits seit meinem 6. Lebensjahr“, erzählt er. Er kramte eines Morgens im Schreibtisch seines Großvaters, erinnert er sich. So etwas macht man eigentlich nicht, wusste er. Dabei entdeckte er die Münzen seines Opas. Und als sein Großvater ihn dabei ertappte, erwartete er ein Donnerwetter. Doch weit gefehlt. Der passionierte Numismatiker erzählte seinem Enkel mehr über Münzen und das Sammeln. Zum Schluss schenkte er ihm sogar eine alte Münze. „Damit fing meine Leidenschaft an. Ich begann zunächst deutsche Münzen zu sammeln“, berichtet Thomas Lenk.
„Später war ich von Queen Viktoria so fasziniert, dass ich Münzen aus der viktorianischen Zeit sammelte“, so der Numismatiker. Weil Großbritannien noch Hoheitsgebiete in aller Welt hatte, auf deren Geldstücken natürlich das Bildnis der Queen geprägt war, gehört zu dieser Sammlung Münzen aus aller Welt. Seit 15 Jahren fokussiert er sich auf Münzen aus dem Spätmittelalter. Auch das Interessengebiet hat seinen Grund: Lenks Tochter studierte Geschichte, machte inzwischen ihren Doktor in Oxford. Und das Interesse für Geschichte färbte auf den Papa ab.
Doch wie kommt man als Sammler an Münzen aus dem Spätmittelalter? „Da gibt es ganz unterschiedliche Quellen“, berichtet Thomas Lenk. Man kann sie auf Tauschbörsen, Trödelmärkten oder bei Messen bekommen. Es gibt inzwischen auch fast jeden Tag irgendwo in Deutschland eine Münzauktion, auf der man Sammlerstücke ersteigern kann. Und natürlich das Internet.
Doch mit dem Besitz der Münze ist es für echte Numismatiker wie Thomas Lenk nicht getan. „Wenn ich eine neue Münze habe, recherchiere ich zu den Münzherren. Ich recherchiere, wie die sozialen und politischen Verhältnisse in der Zeit waren, in der die Münze geprägt wurde. Meist stößt man da auf Einflüsse, wie kriegerische Auseinandersetzungen oder längere Friedenszeiten. Es ist sehr spannend, in die Geschichte einzutauchen. Was ich herausbekommen, schreibe ich zur jeweiligen Münze auf.“
So besitzt der Sammler beispielsweise einen Groschen aus dem 15. Jahrhundert, geprägt in Bologna, das um 1500 noch zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte. Auf diesem ist Maximilian I. (1459-1519) abgebildet, der den Beinamen „der letzte Ritter“ trug und aus dem Geschlecht der Habsburger stammte. Er war ab 1486 römisch-deutscher König und wurde später sogar zum Kaiser gekrönt. „Das alles zu recherchieren ist richtig spannend“, sagt Thomas Lenk.
So wie Thomas Lenk sind viele der heutigen 30 Lichtenberger Münzfreunde schon in gesetzterem Alter. „Wir hoffen, dass auch jüngere Menschen den Weg zu uns finden“, sagt der Numismatiker. „Viele haben Münzen zu Hause, beschäftigen sich mit ihnen in ihrer Freizeit, haben aber manchmal auch Fragen. Bei unseren Treffen tauschen wir uns zu solchen Fragen und zu allen Themen rund um unsere Sammelgebiete aus. Das kann durchaus auch für jüngere Sammler von Interesse sein.“
Wer Näheres zu den Lichtenberger Münzfreunden und ihren Treffen am 1. und 3. Montag im Monat, ab 14 Uhr wissen möchte, kann sich gern bei Joachim Kunze, 0172/321 11 75 melden. Aktuell treffen sie sich im Nachbarschaftszentrum Kiezspinne an der Schulze-Boysen-Straße 38.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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