Kinderarmut bleibt ein großes Thema
Camilla Schuler resümiert ihr zurückliegendes Jahr als Stadträtin für Familie, Jugend und Gesundheit
Vor einem Jahr stellte die Berliner Woche die frisch ins Amt gewählte Stadträtin für Familie, Jugend und Gesundheit, Camilla Schuler (Die Linke) vor. Im Gespräch informierte sie über ihre Vorhaben. Zur Bilanz für das zurückliegende Jahr befragte sie Berliner Woche-Reporter Bernd Wähner.
Als Sie Stadträtin wurden, gab es noch einmal eine Corona-Hochphase. Wie schätzen Sie die Corona-Situation heute ein?
Camilla Schuler: Absolut ruhig. Das war vor einem Jahr noch anders. Da hatten wir im Gesundheitsamt dann auch keine Leitung und keinen Amtsarzt mehr. Das war eine große Herausforderung für alle. Inzwischen haben wir wieder einen Amtsarzt und alle Stellen sind besetzt. Was Corona angeht, haben wir im Containment-Bereich noch zehn Miterbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Stellen waren befristet und laufen zum 31. März aus. Die Pandemie ist überschaubar und steht nicht mehr im Fokus.
Problematisch war auch die räumliche Situation des Tuberkulosezentrums. Hat sich da etwas verändert?
Camilla Schuler: Wir konnten im Sommer an der Zachertstraße 75 einen frisch sanierten neuen Standort eröffnen. Außerdem haben wir auch einen neuen Leiter eingestellt. Wie ich höre, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr zufrieden mit dem neuen Standort. Bei Tuberkuloseerkrankungen finden wir, zum Glück, aktuell keine schwierigen Verläufe vor. Wir sind aber für die gesamte Stadt verantwortlich und von daher haben alle kontinuierlich zu tun.
Ein weiteres wichtiges Anliegen für Sie war, Schulgesundheitsfachkräfte an den Start zu bringen.
Camilla Schuler: Das Pilotprojekt haben wir am 1. Oktober starten können. Zunächst sind drei Fachkräfte an je zwei Schulen tätig. Sie haben eigene Räume, die voll ausgestattet sind. Dafür haben sich die Schulen stark eingesetzt. Ich besuche gerade die Fachkräfte vor Ort, um mir selbst ein Bild zu machen. In den Grundschulen möchte ich nach der kurzen Zeit sagen, handelt es sich um einen Volltreffer. Die Schulgesundheitsfachkräfte, die Schulen und auch die Kinder fühlen sich besser versorgt. Hier konnten wir eine Lücke schließen und die Schulsekretariate entlasten. Nach zwei Jahren Pandemie zeigt sich aber auch, dass das Angebot mehr als eine ärztliche Erstversorgung bedeutet. Zuhören, beraten und einfach da sein sind ebenfalls Bestandteil und gehören mitgedacht. Die Herausforderung ist sicherlich der kommende Haushalt, um dieses Projekt fortzuführen. Auf Dauer wird sich der Senat hier nicht aus der Verantwortung ziehen können.
In den zurückliegenden Jahren ist viel über den Ärztemangel im Bezirk diskutiert worden. Wie schätzen Sie sie die Situation ein?
Camilla Schuler: Wir sind mit der Kassenärztlichen Vereinigung in enger Abstimmung. Dabei kommt auch viel Unterstützung von unserem Bürgermeister Die KV konzentriert sich jetzt sehr auf Lichtenberg. Am 1. Februar konnten wir gerade eine neue Praxis nach dem KV-Modell in Karlshorst eröffnen. Das ist die zweite im Bezirk. Im Neubauquartier Mühlengrund in Hohenschönhausen eröffnete im Juli außerdem ein medizinisch-interdisziplinäres Ärztezentrum mit den Fachrichtungen Hausarztmedizin, Frauenheilkunde und Pädiatrie. Nun wird es durch eine Praxis für Kinder- und Jugendmedizin ergänzt. Und auch durch die bezirkliche Initiative „Mach mal Praxis“ ist es uns gelungen weitere Ärztinnen und Ärzte nach Lichtenberg zu holen. Wir bleiben konsequent dran am Thema.
Ein wichtiges Thema ist Kinderarmut. Was tat sich in Sachen Prävention?
Camilla Schuler: Im November haben wir die Ergebnisse von Arbeitsgruppen in einer Strategiekonferenz vorgestellt und weitere Schritte diskutiert. Die Teilnahme war außerordentlich hoch mit Kitas, Schulen, Jugendträgern, Sana Klinikum, Senat. Auf der Konferenz sah man, dass das Thema in den Köpfen angekommen und der Wille zur Bekämpfung von Kinder- und Familienarmut vorhanden ist. Für September planen wir die nächste Konferenz und 2024 soll es den nächsten Kinderarmutsbericht geben.
Wie kommt der Bezirk bei der Schaffung neuer Kita-Plätze voran?
Camilla Schuler: Wir konnten einige Um- und Anbauten einweihen, zum Beispiel am Römerweg oder an der Baikalstraße. Im Sommer wird außerdem die Kita an der Gudrunstraße eröffnet. Wir haben gerade den Kita-Entwicklungsplan bis 2026 veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass wir immer noch ein Platzdefizit in bestimmten Gebieten, wie zum Beispiel in Karlshorst haben. Es gibt aber auch Gebiete, in denen wir mehr Plätze als Kinder haben, wie in Fennpfuhl. Und die Kindergärten Nord-Ost signalisieren, dass sie im Augenblick auch freie Plätze haben. Die Situation entspannt sich also tatsächlich etwas, trotzdem müssen wir den Weg kontinuierlich weitergehen.
Eines ihrer Vorhaben, von denen sie im vergangenen Jahr sprachen: zu erreichen, dass keine Jugendfreizeiteinrichtung geschlossen wird.
Camilla Schuler: Was wir auch geschafft haben. Es ist sogar geplant, in absehbarer Zeit eine neue Freizeiteinrichtung in Rummelsburg zu eröffnen. Im Frühjahr wird mit den Bauarbeiten begonnen, 2025 soll die Fertigstellung sein. Die Einrichtung ist wichtig, weil dort viele junge Menschen leben und direkt um die Ecke eine Schule gebaut wird. Es gibt auch weitere Ideen, unter anderem ein queeres Jugendberatungszentrum.
Zum Erfolgsprojekt, das stark frequentiert ist, entwickelte sich das Familienbüro an der Große-Leege-Straße 103. Inzwischen gibt es auch ein mobiles Familienbüro. Wie kommt das an?
Camilla Schuler: Da gab es anfangs einige Startschwierigkeiten, die auf Corona zurückzuführen sind. Inzwischen kommt bei immer mehr ratsuchenden Familien im Bewusstsein an: Das Familienbüro ist an bestimmten Tagen bei uns im Kiez. Ich überlege, ob wir ein zweites Familienbüro einrichten, und zwar dort, wo es Familien am schwierigsten haben.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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