Herausforderungen meistern
Interview mit Bürgermeister Martin Schaefer
Über einen Rückblick auf das herausfordernde Jahr 2023 und einen Ausblick auf 2024 unterhielt sich Berliner Woche-Reporter Bernd Wähner für die erste Ausgabe des neuen Jahres mit Bürgermeister Martin Schaefer (CDU).
Sie wurden nach der Wiederholungswahl im Frühjahr zum Bürgermeister von Lichtenberg gewählt. Mit Blick auf das zurückliegende Jahr 2023: Was waren aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen in der Lichtenberger Bezirkspolitik?
Martin Schaefer: Die emotionalste Herausforderung war die Beendigung der illegalen Wohnnutzung auf dem Gewerbegrundstück am Hönower Wiesenweg. Dort lebten Wohnungslose, und das war ein Thema, über das die ganze Stadt sprach. Die Menschen dort zu sehen und von ihren Schicksalen zu hören, das lässt einen nicht kalt. Ich habe versucht, die ethischen Ansprüche, die ich an mich selbst stelle, dort umzusetzen. Das ist mit Abstrichen ganz gut gelungen, denke ich.
Im täglichen Amtsgeschäft ist es eine große Herausforderung, Bürgermeister einer ganzen Stadt zu sein – und das ist Lichtenberg im Grunde mit 310 000 Einwohnern, die wir in hier nun mal sind. Es wird oft unterschätzt, was meine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bezirken und ich in Lichtenberg tagtäglich wuppen müssen.
Welches sind die Schwerpunkte, denen Sie sich als Bürgermeister in der verbleibenden Legislaturperiode widmen werden?
Martin Schaefer: Da gibt es zwei Richtungen: nach innen und nach außen. Nach innen ist es die professionelle Gestaltung des Personalwandels, der bereits begann und sich in den nächsten Jahren verstärkt fortsetzt. Wir werden viele Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand verabschieden, der ihnen gegönnt sei. Unsere Personalzahlen werden wir mit neuen Mitarbeitern gerademal so halten können, aber nicht mehr groß wachsen. Mit Blick auf den Personalwandel nehme ich mir deshalb vor, dass sich das Bezirksamt noch mehr zu einem attraktiven Arbeitgeber entwickelt, dass man positiv über uns spricht und dass die Kolleginnen und Kollegen sagen: Hier herrscht eine gute Atmosphäre. Da habe ich Lust mich einzubringen. Wir sind schon dabei, erste Akzente zu setzen, zum Beispiel bei den Themen betriebliches Gesundheitsmanagement oder Betriebssport …
? … und was sind Ihre Schwerpunkte nach außen?
Martin Schaefer: Zum einen beschäftigt mich die Herausforderung, ein wachsender Bezirk in Berlin zu sein. Wir reißen seit Jahren die Bevölkerungsprognosen nach oben. Wir wachsen schneller, als alle vorausgesagt hatten. Allein im Jahr 2023 wuchs Lichtenberg um 10 000 Menschen. Wir haben als Bezirksamt eine wachsende Stadt zu gestalten. Das heißt natürlich, Schulplätze an den Start bringen, die Ärzteversorgung sicherzustellen und unsere grünen Innenhöfe zu schützen. Letzteres ist ein wichtiges Thema. Denn wenn wir beginnen, die grünen Innenhöfe zu bebauen, dann verlieren wir unsere grünen Oasen.
Außerdem wünsche ich mir, dass jüdisches Leben in Lichtenberg wieder sichtbar wird. Das Miteinander der Religionen und Kulturen ist doch das, was unseren vielfältigen Bezirk ausmacht. Und wenn man die großen Weltreligionen nimmt, dann gehört das Judentum einfach dazu. Ein weiterer Schwerpunkt ist für mich, dass wir ein Bezirk sein müssen, in dem man wohnen und auch arbeiten kann. Mir ist wichtig, dass wir hier Arbeitsplätze schaffen. Das gelingt zum Beispiel durch den Einzelhandel, durch die Geschäftsstraßen und durch den Erhalt der Center. Wir müssen uns aber auch die Brachflächen in unserem Bezirk ansehen, die wir noch haben. Hier gilt es Unternehmen zu finden, die diese entwickeln und bei uns Arbeitsplätze schaffen.
Mit Blick auf den Klimawandel: Welche Vorhaben beim Thema Klimaschutz wird das Bezirksamt in nächsten Schritten angehen?
Martin Schaefer: Das eine ist die politische Entscheidung, unsere grünen Innenhöfe zu schützen. Ich denke, das ist das A und O, dass wir diese nicht preisgeben. Hinzu kommt, dass wir beim Nachpflanzen von Bäumen und Sträuchern nicht nachlassen. Wir sind auch auf dem Weg, unseren CO₂-Ausstoß drastisch zu senken. Deshalb sanieren wir unsere Verwaltungsgebäude: Unser Rathaus bekommt zum Beispiel neue Fenster, damit es im Winter nicht so viel Wärme verliert und im Sommer die Kühle gespeichert wird. Außerdem schreiten wir bei der Installation von Photovoltaikanlagen voran. So gibt es viele weitere Maßnahmen. Aber wir können uns nicht losgelöst sehen, denn wir sind einer von zwölf Bezirken im Land Berlin.
Welche bezirkspolitischen Etappenziele sollten aus Ihrer Sicht im Bezirk 2024 erreicht werden?
Martin Schaefer: Wir fangen an, unter dem Stichwort "New Work" neue Arbeitsplätze in unserer Verwaltung einzurichten. Dabei geht es um sogenanntes "Desk-Sharing". Wir fragen uns: Braucht jeder ein eigenes Büro? Oder gibt es andere Möglichkeiten? Deshalb wollen wir bis zum Sommer einen ersten Co-Working-Space im Rathaus einweihen. Ein weiteres wichtiges Etappenziel: In Zusammenarbeit mit der Gesundheitsstadträtin Dr. Catrin Gocksch müssen wir den Umzug des Gesundheitsamts hinbekommen. Das bisherige Gesundheitsamt an der Alfred-Kowalke-Straße entspricht nicht mehr dem, was Menschen erwarten, die ins Gesundheitsamt gehen und vor allem auch nicht diejenigen, die dort arbeiten müssen. Wir haben im Haushalt Mittel eingestellt, damit wir uns auf die Suche nach einem neuen Mietobjekt machen können. Als drittes nehme ich mir vor, dass die Verwaltung wieder bürgernäher wird. Wir müssen mehr dorthin, wo die Menschen sind, um die Distanz zwischen ihnen sowie Politik und Verwaltung wieder zu verringern. Ich habe den Eindruck, dass uns das zum Beispiel mit dem „Lichtpunkt“, den wir im Linden-Center in Neu-Hohenschönhausen gerade eröffneten, glücken könnte. Wir werten im März aus, wie dieses bürgernahe Angebot angenommen wird. Im Haushalt haben wir bereits Vorsorge getroffen, dass wir solch ein Angebot auch in der Mitte und im Süden des Bezirks einrichten und damit Akzente setzen könnten.
Was erhoffen beziehungsweise wünschen Sie sich für die Menschen im Bezirk Lichtenberg für das Jahr 2024?
Martin Schaefer: Ich wünsche natürlich allen Gesundheit. Von den Menschen wünsche ich mir ein bisschen mehr Gelassenheit. Ich merke, vor allem in den Sozialen Medien, dass die Menschen sehr schnell aggressiv werden. Da frage ich mich immer: Was hat sie so aggressiv gemacht? In der Psychologie sagt man: Verletzte verletzen. Ich weiß oft nicht, warum die Menschen so verletzt und wütend sind. Deshalb wünsche ich mir ein wenig mehr Gelassenheit und daraus resultierend, dass wir wieder einen anderen Ton miteinander pflegen. Denn der Ton ist heute oft sehr rau und barsch. Muss das sein? Für die Menschen wünsche ich mir, dass wir die globalen Herausforderungen nicht nur ohnmächtig ertragen und erdulden. Ich weiß, wie schwer es für manche ist, mit ihrem Einkommen auszukommen. Und wir wissen nicht, was es noch an Krisen geben wird und wie sich diese auf uns auswirken. Aber wenn wir uns trotzdem sagen: Wir leben glücklich und gesund unseren Alltag, dann haben wir alle schon viel erreicht.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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